Wochenschau vom

AbolishFrontex Aktionswoche, Widerstand gegen GEAS-Reform, Einordnung zu Grossbritannien

Was ist neu?

Beteiligung der Schweiz am GEAS:
Bundesrat sagt Ja, doch der Widerstand formiert sich

Am 14. August gab der Bundesrat das Ja-Wort zur Übernahme der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS. Genau drei Monate ist es her, dass die EU sich auf eine weitere Verschärfung des Migrationsregimes geeinigt hat.

Die GEAS-Reform giesst ein «weiter-so» der europäischen Todespolitik in eine Rechtsform. Dem Vormarsch rechtsautoritären Tendenzen in Europa wird der Boden bereitet und juristischen Kämpfen für die Rechte von Migrant*innen wird die Grundlage entzogen. Dabei werden die Überlebensbedingungen von migrierenden Personen stetig menschenfeindlicher. Während in den meisten EU-Ländern die kleine Welle des Widerstands gegen die GEAS-Reform kurz nach dem EU-Beschluss ihr Ende fand, nimmt sie in der Schweiz gerade erst Fahrt auf.

Es stehen die fünf Verordnungen fest, welche von der Schweiz übernommen werden sollen. Wie die konkrete Anwendung der Verordnungen in der Praxis aussehen könnte, bleibt aber noch offen.

AMMR-Verordnung
Verlängerung der Dublin-Frist (Frist für Rückführung in den Staat der ersten Registrierung). Die 6-monatige Frist wird heute bei einem Untertauchen auf 18 Monate verlängert. Neu soll diese beim «Untertauchen» auf 3 Jahre verlängert werden. 

Untergetaucht soll neu schon sein, wer aus gesundheitlichen Gründen den Ausschaffungsflug nicht wahrnehmen konnte.

Eurodac-Verordnung
Ausbau der Datenbank zur biometrischen Erfassung von asylsuchenden und migrierenden Personen. Könnte durch mobilen Daten-Zugriff zu einer Methode des Racial-Profilings werden.

Rückkehrgrenzverfahrensverordnung
Für die Schweiz: Erweiterung und Konkretisierung des BMVI-Fonds. Aus dem von der Schweiz massgeblich mitfinanzierten Fond wird die Militarisierung der EU-Aussengrenzen finanziert.

Überprüfungsverordnung
Registrierung und biometrische Erfassung aller flüchtenden Personen, auch innerhalb der Schengen Grenzen.

Krisenverordnung
Ermöglicht die extreme Verschärfung aller Massnahmen durch das Ausrufen einer selbsterklärten «Krise».

Die kryptischen Abkürzungen und die gewagte Wortakrobatik dieser Verordnungen verbergen bittere Zukunftsaussichten. Bis zum 14. November läuft nun die Vernehmlassung im Rahmen derer Parteien, Organisationen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ihre Kritik äussern können. Die Übernahme der Verordnungen bietet auch die Möglichkeit eines Referendums. Schon heute beschäftigt sich das NoGEAS Bündnis mit der Ausgestaltung eines möglichen Referendums.

Was ist aufgefallen?

Einige Einordnungen zu den Riots in Grossbritannischen 

Die rassistischen Riots erfassten mittlerweile zahlreiche Städte. In Rotherham wurde ein Asylcamp in Brand gesetzt. In Middlesborough wurden Strassen blockiert. Nur weisse und «englische» durften passieren. In Tamworth wurden Asylcamps mit «Fuck Pakis» und «Get Out» besprüht. In Belfast wurde einer Frau mit Hidschab ins Gesicht geschlagen und Geschäfte von Muslime zerstört und die örtliche Moschee gestürmt. In Crosby wurde ein Muslim erstochen. Wir haben einige Beobachtungen und Einordnungen zusammengetragen.

  1. Unorganisierte und nicht organisierte Faschos waren die Protagonist*innen. Dies zeigte sich daran, dass die Demos der organisierten Faschos schlechter besucht wurden als die zahlreichen spontanen Mobs, die durch die Strassen zogen. Den organisierten Faschos gelang es jedoch mit gewaltbereiten Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und sich zu vernetzten.
  2. Fake News und nicht Beweise und Fakten entzündeten die Gewalt. Dies zeigt sich daran, dass die Gewalt nicht abnahm, nachdem klargestellt wurde, dass der in drei Fällen tödliche Messerangriff in Southport nicht von einem per Boot eingewanderten Muslim, sondern von einem in England aufgewachsenen Minderjährigen begannen wurde.
  3. Es geht nicht um Geldsorgen, sondern um rassistische Gefühle und Fantasien. Die Riots haben wenig mit den finanziellen Sorgen der Menschen zu tun. Die Gewalt ist eine entfesselte Reaktion aufgrund von rassistischen Ängsten, Groll und Ekel, weil sich vermeintlich nichts und niemand mehr an seinem Platz befinde. Die Ordnung müsse von unten gewaltsam durchgesetzt werden, da vom Staat und den Eliten nichts zu erwarten sei.
  4. Nationalstaatliche Grenzen werden als Lösung fetischisiert. Weil die Grenzen erodieren, gäbe es zu viel Migration und zu daher auch wenig Sicherheit. Würde die Grenze gestärkt, würde Ordnung hergestellt werden können. Vermeintlich ungleiche Kulturen müssten getrennt bestehen statt durchmischt untergehen. Solche nationalistisch-rassistische Narrative rund um die Grenze sind heute nicht nur Bestandteil von faschistischen Diskursen. In unterschiedlicher Ausprägung bilden sie auch innerhalb der systemtragenden Rechten bis weit in die Linke einen Konsens.

Was tut Frontex?

Grenzübertritte im ersten Halbjahr 2024: Zahlen und Einordnung

Frontex hat Zahlen veröffentlicht: Im Vergleich zum letzten Jahr sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres über ein Drittel weniger Menschen (illegalisiert) in die EU eingereist.  

Am stärksten hat laut Frontex die Migrationsbewegung via Westbalkanroute abgenommen. Dort hätte es im Vergleich zum Vorjahr 75 Prozent weniger versuchte Einreisen in die EU gegeben. Auch die Zahlen der Einreisen via der zentralen Mittelmeerroute haben stark abgenommen: 64 Prozent weniger Personen sollen die Grenze (illegalisiert) überquert haben. 

Zur Einordnung der Zahlen: Zum einen scheinen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr so hoch, da es im Jahr 2023 besonders viele registrierte illegalisierte Grenzübertritte gab. Die veränderte Visapolitik Serbiens hat ebenfalls zu den rückläufigen Zahlen auf der Westbalkanroute beigetragen: Früher konnten Menschen aus Ländern wie Indien oder Pakistan ohne Visum mit dem Flugzeug nach Serbien einreisen.

Schlussendlich ist es auch die stetige Migrationsabwehr der EU, die hier ihre Resultate zeigt: Die EU hat im vergangenen Jahr sog. Migrationsabkommen mit Ägypten und Tunesien geschlossen, schon länger besteht ein sog. Migrationsabkommen mit Libyen. Um die Einreisezahlen tief zu halten, externalisiert die EU ihre Grenzen weiter und beauftragt andere Staaten mit der Bekämpfung von Migration. Was nach wie vor hinter den Zahlen steht: Das Sterbenlassen auf dem Mittelmeer und flüchtende Menschen, die in der Sahara-Wüste verdursten. 

Was steht an?

AbolishFrontex Aktionswoche

Ein Aufruf vom Netzwerk AbolishFrontex

Unhappy Anti-versary, Frontex: Macht mit bei unserer internationalen Aktionswoche vom 30. September bis 6. Oktober

Am 6. Oktober 2024 feiert die EU-Grenzschutzagentur Frontex ihr 20-jähriges Bestehen. In diesen 20 langen Jahren verbreitete die Agentur Tod und Unsicherheit. Wir verzeichnen und beklagen mehr als 60.620 Todesfälle, die seit 1993 durch das EU-Grenzregime verursacht wurden. Frontex ist ein zentraler Akteur im Krieg gegen Migrant*innen und ein Symbol für das sichere Scheitern dieses Krieges.

Abolish Frontex ruft zu einer internationalen Aktionswoche vom 30. September bis 6. Oktober auf. Wir rufen euch und eure lokalen Gruppen auf, Aktionen gegen Frontex und das mörderische Grenzregime der EU zu organisieren. 

Wie kann ich mitmachen?

Der einfachste Weg, sich zu beteiligen, ist die Teilnahme an unserer 10-Minuten-Postkartenaktion. Wenn ihr in einer lokalen Gruppe aktiv seid, könnt ihr eine kollektive Postkarten-Schreibaktion organisieren – entweder intern in eurer Gruppe oder als Teil einer öffentlichen Aktion, bei der ihr die Menschen über Frontex’ Verbrechen informiert und sie auffordert, selbst Postkarten zu schreiben. Auf unserer Website findet ihr weitere Informationen über Frontex und warum die Agentur abgeschafft werden muss.

Zu den vergangenen Aktionen gehörten das Verteilen von Flugblättern, das Abwerfen von Bannern, Graffitis, Straßenplakate, Versammlungen, Reden, Kunstinstallationen, Demonstrationen, Besetzungen, Blockaden, Sabotagen, und mehr. Es gibt viele Möglichkeiten, aktiv zu werden, und wir können kreativ sein! Weitere Informationen über die Abolish Frontex-Bewegung und Ideen für Aktionen sowie eine Liste der institutionellen und operativen Frontex-Standorte findet ihr hier (https://abolishfrontex.org/take-action/).

Bitte teilt uns mit, ob in eurer Stadt zu diesem Anlass etwas passieren wird, damit wir es in unsere Medienarbeit integrieren können. 

enough: Aktionstage in Zürich

04. – 07. September | Zürich

Aktionstage zu antirassistischem und dekolonialem Widerstand.

Zum Programm