Gerechtigkeit für Jamilia, Drohnen für Frontex, Überwachung für Lager
Was ist neu?
Das UNHCR überwacht Italiens Lager in Albanien
Die UN-Flüchtlingsorganisation (UNHCR) hat angekündigt, die ersten drei Monate in den Lagern an Albaniens Küste präsent zu sein. Nachdem Ende letzten Jahres das Abkommen zwischen Italien und Albanien zur gemeinsamen Bearbeitung von Asylanträgen verabschiedet wurde, befinden sich nun die geplanten zwei Lager kurz vor der Eröffnung. Das UNHCR stellt klar, kein Partner des Abkommens zu sein, wolle jedoch mit der Überwachung des Abkommens dazu beitragen, «die Rechte und die Würde der Betroffenen zu schützen».
Das grössere der beiden Lager in Albanien wird als Ausschaffungsgefängnis dienen. In den bereits bestehenden Ausschaffungsknästen Italiens (CPR genannt) herrschen desolate Überlebensbedingungen (Wochenschau 2024/08/12 und 2024/02/14). Umso wichtiger ist der Widerstand gegen jeden weiteren Ausschaffungsknast, ob in Italien, Albanien oder Libyen.
Ob die Überwachung für den begrenzten Zeitraum von drei Monaten durch das UNHCR allein zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen beiträgt, bleibt infrage zu stellen. Schliesslich gehört das Beobachten der Gewalt gegen migrierende und flüchtende Personen zum festen Bestandteil des EU-Grenzregimes. Abwechslungsweise rühmen sich die verantwortlichen Politiker*innen und Staaten mit den Gräueltaten an den EU-Aussengrenzen oder streiten die Existenz solcher Menschenrechtsverletzungen trotz einschlägiger Berichte ab.
Rest in Power Sulti!
Leider mussten wir diese Woche erfahren, dass Sulti am 19.08.2024 gestorben ist. Gerne möchten wir die folgenden Zeilen mit euch teilen und euch dazu einladen, finanzielle Unterstützung zu leisten. Unsere Bewegungen wären nicht die Gleichen ohne solch wunderbare Menschen wie Sulti. Rest in Power!
Voller Trauer und Wut möchten wir mitteilen, dass unser*e geliebte*r Freund*in, Genoss*in und Aktivist*in of Color, Sulti, von uns gegangen ist.
Sultis ganzes Leben war widerständig und von der Power der Community geprägt.
Wir haben an Sulti Seite gekämpft, miteinander diskutiert, Demos, Kundgebungen und Veranstaltungen organisiert. Wir haben zusammen gelacht, geweint, unsere Wut auf Strassen, Papier und Banner gebracht. Wir haben miteinander gelernt, uns gegenseitig aufgefangen, uns umeinander gesorgt & gekümmert. Sulti zeigt uns, welche Kraft in der Solidarität für die Kämpfe verschiedener Communities liegt.
Sulti hat die Vision einer gerechten Welt für Alle mitgetragen.
Dieses System hat uns Sulti genommen. Sulti hat sich dieser Gefahr und der Gewalt mit allem, was they hatte, entgegengestellt. Der Tod unserer*s geliebten Genoss*in und Freund*in ist die Folge einer Kette von strukturellen Fehlern, die dieses System bewusst begeht, um Menschen wie Sulti zu schaden. Die Familie, Freund*innen und Genoss*innen versuchen, in dieser schweren Zeit zusammen zu sein und alles zu organisieren, um dieses Leben zu feiern und zu ehren.
Sulti wird in their Heimat Kurdistan bestattet. Für die Überführung, die Organisierung des Gedenkens und alle weiteren notwendigen Dinge, z.B. zur Deckung von Reisekosten, Unterkunft, Verpflegung, Anwält*innen etc. wollen wir die Familie soweit es nur geht unterstützen.
Für Sulti und Sultis Familie rufen wir hiermit zu Spenden auf. Jeder Beitrag ist hilfreich, unterstützend und wird geschätzt. Als Wiedergutmachung, als Geste der Solidarität, love in action oder als notwendige Umverteilung.
Durch Sultis ständigen und radikalen Kampf ist they ein prägender Teil von unzähligen Bewegungen geworden, ob im Refugee Movement, Queer Feminist Politics, im Kampf für Black Liberation oder in der dekolonialen Klimabewegung. Sulti hat jede dieser Bewegungen mit aller Kraft und ganzem Herzen, im tiefen Glauben an radikale Transformation, begleitet und im Kampf bereichert.
Sulti hat permanent gegen die unterdrückerischen, kolonial-kapitalistischen Verhältnisse gekämpft.
They stand in ständiger Konfrontation mit dem System, um es zu transformieren. Das verfrühte Ende eines radikalen und widerständigen Lebens wie das von Sulti ist weder Einzelfall noch zufällig. Es ist das Ergebnis der andauernden kolonial-rassistischen Unterdrückungssysteme und Ungerechtigkeiten, die konstant daran arbeiten, Existenzen, Stimmen und Perspektiven zu zermürben.
Aufruf zur finanziellen Unterstützung von Sultis Familie.
Let’s be abolitionist!
Let’s care together, let’s mourn together, let’s support together.
Oder um es mit Sultis Worten zu sagen: «abolition is my love language»
Konto „Spenden&Aktionen“
IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06
BIC VBMHDE5F
Betreff: Sulti-Foundation
Was ist aufgefallen?
FPÖ stellt neues Wahlprogramm vor
Die neo-faschistische Asyl- und die neo-liberale Wirtschaftspolitik geben sich wieder einmal die Hand in der (mehr oder weniger) neuen Ultrarechten in Europa: in diesem Fall in Österreich. Die FPÖ veröffentlichte einen 100-seitigen Groschenroman mit dem Titel: „Festung Österreich – Festung der Freiheit“, in einer Aneignung des linken „Festung Europa“-Begriffs.
Framing beherrschen die Rechten leider schon lange sehr gut, was man auch am Begriff Remigration erkennen kann. Kickl benutzte das mittlerweile allseits beliebte R-Wort während der Vorstellung ihres Schmierpapiers für Menschen, welche bereits nach Österreich migriert sind und forderte zudem, dass weitere Asylanträge auf null Prozent reduziert werden sollen. Ebenso solle es nicht mehr möglich sein, Familiennachzug zu beantragen. Weitere politische und rechtliche Lächerlichkeiten beinhalteten, dass selbst minimale Sozialleistungen nur für österreichische Staatsbürger*innen zugänglich sein sollten (die Schweiz befindet sich mit ihrem Nothilfe-System zugegebenermassen nicht weit davon entfernt), sowie die haarsträubende Forderung, migrierte Kinder, welche sich ‚respektlos‘ in der Schule verhielten, des Landes zu verweisen. Des weiteren wurde sich in dieser Verschwendung von Rohstoffen (für dieses Papier wurden schliesslich Bäume gerodet!) über Homogenität anstelle von Diversität ausgebreitet. Und zu guter Letzt das Tüpfchen auf dem i: Es sollen keine neuen Steuern eingeführt werden. Hierin nimmt die FPÖ Melonis neo-faschistisches Italien zum Vorbild, das neben seinem Krieg gegen Migrant*innen und Asylbewerber*innen auch einen Krieg gegen Arme führt. (Sowie gegen Frauen, Queers und Linke.)
Sorgt dafür, dass sich keine dieser absurden Forderungen normalisiert und den Diskurs noch weiter nach rechts verschiebt. (Wenn das denn überhaupt noch möglich ist.) Keinen Fussbreit den Faschos: weder in den Parlamenten, noch auf den Strassen. Get angry, get organized!
Was tut Frontex?
Drohnen für Frontex
Die EU-Agentur Frontex rüstet auf: 400 Millionen Euro sollen in neue Drohnen und andere Überwachungstechnologien investiert werden.
Die geplanten Anschaffungen sind anhand verschiedener Ausschreibungen abzulesen: Eine Ausschreibung für Drohnen und zugehörige Überwachungsdienste zur Überwachung der Seegrenzen im Wert von 184 Millionen Euro sowie eine weitere Ausschreibung für Überwachungsausrüstung, einschliesslich Nachtsichtgeräten, im Wert von 19 Millionen Euro. Zudem ist eine Ausschreibung für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) mit einem Volumen von 186,5 Millionen Euro vorgesehen. Darüber hinaus gibt es ein Pilotprojekt für Drohnen an den Landgrenzen im Wert von drei Millionen Euro, das in Zusammenarbeit mit Bulgarien durchgeführt werden soll.
Der Einsatz von Drohnen durch Frontex ist nicht neu. Die Agentur benutzt schon seit Jahren Drohnen an den EU-Aussengrenzen in Italien, Malta und Griechenland.
Zusammenarbeit mit libyscher Küstenwache
Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch stellte fest, dass im Mittelmeer im Jahr 2021 um die 10’000 Menschen von der libyschen Küstenwache abgefangen und gewaltsam nach Libyen zurückgebracht wurden, wobei dies massgeblich durch von Frontex bereitgestellte Informationen ermöglicht wurde.
«Ohne die von EU-Flugzeugen gesammelten Daten hätte die libysche Küstenwache nicht die technischen und operativen Kapazitäten gehabt, um diese Boote in einem solchen Ausmass abzufangen», heisst es im Bericht.
Wo gab es Widerstand?
No Border Camp (NL)
Vom 21. – 27. August hat an der Mercatorlaan in Utrecht (NL) das NoBorder-Camp stattgefunden: Mit Workshops, Diskussionen, Aktionen und Demonstrationen.
Weitere Infos hier
Was steht an?
Gerechtigkeit für Jamilia! Versammlung im Gedenken und Protest
31. August | 12:45 | beim Asylzentrum Büren an der Aare: Riesenmattstrasse 28, 3294 Büren an der Aare
In der Nacht vom 23. auf den 24.04.2022 wurde Jamilia, eine Frau geflüchtet aus Afghanistan, Mutter von fünf Kindern, in der Asylunterkunft in Büren an der Aare, Kanton Bern, von ihrem Ehemann erstochen. Obwohl die Unterkunftsverantwortlichen wussten, dass der Mann gegenüber Jamilia und den Kindern gewalttätig war, hatten sie nichts unternommen, um sie zu schützen. Weiterhin musste sich die ganze Familie ein Zimmer teilen. Jamilia wurde nicht ernst genommen und ihr Leben wurde von den Behörden nicht geschützt.
Wir versammeln uns im Gedenken an Jamilia und im Protest gegen die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und das rassistische Asylsystem, welche die Grundlagen für Jamilias Ermordung bildeten.
Komm auch!
Teil der Tour gegen Feminizide
#NoGEAS: Die EU-Asylreform in der Kritik
14. September | 9:45 | Volkshaus, Zürich
Die EU hat im Frühjahr 2024 die grösste Asyl-Reform ihrer Geschichte beschlossen, die den Zugang zum Recht auf Asyl massiv einschränken wird. Asylverfahren werden neu in Haftlagern an den Aussengrenzen durchgeführt, Ausschaffungen in unsichere Drittstaaten werden vereinfacht und die Dublin-Richtlinien werden verschärft. Die Schweiz wird einen Grossteil der Neuerungen übernehmen müssen – sofern sie nicht im Parlament oder in einem Referendum abgelehnt werden.
Simon Noori (Solidarité sans frontières) stellt in einem einleitenden Vortrag die wichtigsten Elemente der Reform vor, ordnet sie in die aktuellen Entwicklungen des europäischen Grenzregimes ein und zeigt auf, welche Folgen sie für Menschen auf der Flucht haben werden.
Anschliessend diskutiert das Atelier Strategien des Widerstands gegen eine kritiklose Übernahme der Reform in der Schweiz, wie sie aktuell vom NoGEAS-Bündnis ausgearbeitet werden.
Organisiert von Solidarité sans frontières