Globale Bewegungsfreiheit statt nationale Mythen

Wir kennen sie alle: Die von Unwissen und rassistischen Denkmustern geprägten Sätze, die schnell fallen, wenn es um Flucht und Migration geht. Im Folgenden reagieren wir auf einige dieser Vorurteile und gehen auf unseren Alternativvorschlag gegen die tödliche europäische Abschottungspolitik ein: Bewegungsfreiheit für alle.

«Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen.»

Laut UNHCR waren Ende 2023 weltweit 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon wurden 83% von Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen aufgenommen. Die meisten Menschen erreichen Europa nicht – sie wollen in ihrer Region bleiben, hoffen auf baldige Rückkehrmöglichkeiten oder haben keine Möglichkeit, hierher zu kommen.

«Steigende Asylzahlen bedeuten steigende Unsicherheit.»

So steht es auf der Webseite der SVP Schweiz. Es finden sich Auflistungen von Delikten, die «junge Männer», gemeint sind Asylsuchende, begangen haben sollen. Das Narrativ von Migration als Bedrohung dominiert auch weit in die Gesellschaft hinein. Es braucht ein neues Verständnis von Sicherheit, das von kollektiver Verantwortung anstatt Vereinzelung und Schuldzuweisung ausgeht.

«Wir müssen unsere Grenzen schützen und illegale Migration stoppen.»

Die Forderung, Grenzen zu schliessen und Migration zu bekämpfen, geht von der Vorstellung aus, Migration sei kontrollierbar. Doch wir wissen: Migration ist eine Tatsache, Migration wird es immer geben. Was sich durch die zunehmende Illegalisierung ändert, ist einzig, dass Fluchtrouten gefährlicher und tödlicher werden.

«Es kommen zu viele und die falschen.»

Altbekannt: Die Trennung von «falschen» und «richtigen» Geflüchteten, die Unterscheidung von Migrant*innen und Geflüchteten. Nur die eine Kategorie sei schützenswert. Dabei sind Fluchtgründe so erschütternd wie zahlreich: Verfolgung, Krieg, Klimakatastrophen, Armut, Hoffnung oder Perspektivlosigkeit. Es braucht dringend Alternativen zu rassistischen Standardsätzen, gesellschaftlicher Ausgrenzung und der tödlichen europäischen Migrationspolitik: Bewegungsfreiheit für alle, die untrennbar mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit verbunden ist.

Bewegungsfreiheit für soziale Gerechtigkeit

Die meisten Menschen aus Europa erhalten für fast alle Staaten weltweit ein Visum und können sich sehr frei bewegen. Gleichzeitig ist die Bewegungsfreiheit für Menschen aus dem Globalen Süden stark eingeschränkt. Diese Realität ist geprägt von kolonialen Vergangenheiten, entwicklungspolitischen Abhängigkeiten, neokolonialen Wirtschafts- und Schuldenabkommen mit Ländern des Globalen Südens. Zu sozialer Gerechtigkeit gehört, dass Menschen in lebenswerten Orten leben können, mobil sind und an lebenswerte Orte ziehen können.

Bewegungsfreiheit für Klimagerechtigkeit

Europäische Staaten und Unternehmen zerstören im Globalen Süden Lebensgrundlagen, rauben Ressourcen, beuten Menschen und Natur aus und sind massgeblich mitverantwortlich für die Klimakrise. Gleichzeitig werden weltweit mehr Menschen durch die Klimakrise und Umweltkatastrophen als durch Gewalt und Konflikte vertrieben. Migration ist oft eine der letzten Optionen, um sich an die veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Es braucht genügend lebenswerte Orte, von denen kein Weggehen nötig ist. Es braucht Klimagerechtigkeit.

(Zuerst publiziert im Bulletin von Solidarité sans frontières)