Rechte Kontinuität für Frankreich, neuer Trend im Ärmelkanal, Gedenken an Jamilia
Was ist neu?
Frankreich: Barnier für rechte Kontinuität und ein Blocker gegen Links
In Frankreich sind am Wochenende tausende Menschen auf die Strasse gegangen. Sie demonstrieren gegen die Ernennung von Michel Barnier zum neuen Premierminister. Die Menschen fühlen sich verraten. Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) hatte die Wahlen gegen den ultrarechten Rassemblement National (RN) und das Macron-Lager gewonnen. Nun setzt Präsident Emanuel Macron einen Premierminister ein, dessen Partei Les Républicains gerade mal 7% erreichte und der verspricht, in vielen Punkten das RN-Programm umzusetzen.
Barnier ist mit 73 Jahren der älteste Premierminister in der französischen Geschichte. Wichtiger als sein Alter ist seine ultrarechte Politik. Wirtschaftspolitisch könnte Barnier auch für einen Arbeitgeberverband arbeiten. Migrationspolitisch hat er bereits verkündet, wohin er will: Ausschluss von zahlreichen Geflüchteten aus der staatlichen medizinischen Grundversorgung, Ende des Rechts auf Familiennachzug, Verschärfung des Asylrechts, Abschaffung der Regularisierungsprogramme für Sans-Papiers, mehr Ausschaffungen.
Mit Barnier will sich Macron die Sympathien der Rassist*innen und des RN sichern und die neoliberalen, konservativen und ultrarechten Parteien bündeln. Es geht also nicht darum, Wahlergebnisse zu beachten oder so. Es geht um rassistische Klasseninteressen, bzw. darum, linke Politik zu verhindern und linke Parteien und Orgas zu brechen.
Gelingt es Macron und Barnier, all diese Punkte umzusetzen, wird sich Frankreich weiter nach rechts entwickeln und der Schweiz angleichen. In der Schweiz regieren die neoliberalen, konservativen und ultrarechten Kräfte seit Jahren Seite an Seite. Migrationspolitische Verschärfungen, die Barnier vorschlägt, sind hier schon lange eine Realität.
- https://www.mediapart.fr/journal/politique/070924/paris-les-manifestants-crient-leur-colere-macron-doit-nous-rendre-le-pouvoir
- https://alencontre.org/europe/france/france-debat-une-divergence-entre-ce-quil-se-passe-sur-la-scene-politique-et-dans-la-societe.html
Der Ärmelkanal wird nun beidseitig überquert
Die rassistische europäische Migrationspolitik zeigt ihre Wirkung. Die Migrationswege rassifizierter Personen werden immer tödlicher.
Trotz des angedachten Ruanda-Deals (die Idee war, dass Personen, die illegalisiert nach Grossbritannien eingereist sind, nach Ruanda hätten ausgeschafft werden können – ohne die Möglichkeit zu bekommen, um Asyl zu fragen), stiegen die Zahlen der Ärmelkanalüberquerungen unbeeindruckt weiter an.
Neuerdings wird der Meeresarm jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung überquert – also von Grossbritannien aus nach Frankreich. Heisst, es steigen auch die Festnahmen, Aufgreifungen und Anzahl Toter sowie Vermisster und Verletzter.
Die Gründe für die Reise per Boot oder Lastwagen nach Frankreich sind einerseits, dass Menschen eine Ausschaffung droht. Andererseits, dass Grossbritannien als Transitland genutzt wird, um nach Frankreich oder weiter zu gelangen. Vor allem Marokkaner*innen und Pakistaner*innen sollen so angeblich per Visa einreisen und werden vermehrt bei den Versuchen mit Lastwagen oder Booten nach Frankreich zu gelangen, festgenommen.
- https://www.sueddeutsche.de/politik/aermelkanal-bootsunglueck-tote-migration-frankreich-grossbritannien-lux.WKBgEEEHJr7KNNrTjGEUAn
- https://www.focus.de/politik/ausland/gefaehrliche-ueberfahrt-526-migranten-wagen-den-aermelkanal-in-hoffnungslos-ueberfuellten-booten_id_260264796.html
- https://www.infomigrants.net/en/post/59438/crossing-from-the-uk-to-france-an-unusual-but-growing-trend
- https://www.infomigrants.net/en/post/59635/one-dead-22-missing-as-boat-capsizes-off-libyan-coast
Was geht ab beim Staat?
Bald wieder vermehrte Ausschaffungen nach Syrien?
Die Revidierung der Haltung der Europäischen Union gegenüber dem syrischen Präsidenten Bashar Assad ist in vollem Gange.
Die Angst vor flüchtenden Personen bringt acht Staaten der EU dazu, ihre Beziehung zum „blutrünstigen Diktator“ Syriens (so, wie sie ihn erst noch nannten) neu auszulegen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hoffen, dass Assad im Gegenzug für die Normalisierung der Beziehungen verhindern könnte, dass mehr Syrer*innen aus dem Land in die EU fliehen und es einfacher würde, Syrer*innen abzuschieben, deren Asylanträge von EU-Mitgliedstaaten abgelehnt wurden. So kommt es bereits dazu, dass EU-Länder vereinzelt Asylanträge von Syrer*innen ablehnen mit der Begründung, dass keine wirkliche Gefahr für Zivilist*innen in Syrien bestehe. Im Juli schrieben acht europäische Staaten einen Brief an Josep Borrell, den Chefdiplomaten der EU, in dem sie ihn aufforderten, einen EU-Syrien-Gesandten zu ernennen. Italien unter der Führung der rechtsextremen, rassistischen Partei „Fratelli d’Italia“ ist dabei Vorreiter*in.
Wo gab es Widerstand?
Tour gegen Feminizide: Ein Baum in Gedenken an Jamilia
Über drei Tage hinweg zog die Tour gegen Feminzide durch die Kantone Waadt, Bern und Zürich. Dabei besuchten sie Orte, an denen Feminzide stattgefunden hatten. Im Kanton Bern war eines der Ziele die Kollektivunterkunft in Büren and der Aare, wo im April 2022 Jamilia von ihrem Ehemann ermordet wurde. Sie war Mutter von fünf Kindern. Das SRK, welches die Unterkunft verwaltete, hatte nicht reagiert auf Meldungen von Jamilia über die Gewalttätigkeit des Mannes. Dadurch macht sich das SRK mitschuldig.
Bereits vor einem Jahr wurde auf dem Gelände der Kollektivunterkunft ein Baum gepflanzt, im Andenken an Jamilia. Das SRK, welches aber offensichtlich mit dem Mord nichts mehr zu tun haben, sondern alle Erinnerungen daran auslöschen will, fällte den Baum bald darauf. Zum Glück gibt es solidarische Nachbar*innen wie den Bauer vom Hof gleich neben der Kollektivunterkunft. Auf Anfrage war dieser sofort einverstanden, dass ein neuer Baum auf seinem Land gepflanzt werden könne. Gemeinsam mit Bewohner*innen der Unterkunft wurde der Baum mit bemalten Steinen und einem Foto verziert.
Jamilia, wir werden dich nicht vergessen!
Aktionstage enough
Vom 4. – 7. September haben in Zürich die Aktionstage enough stattgefunden. Während vier Tagen wurde ein Raum geschaffen, um antirassistische Initiativen und den Widerstand gegen das Migrationssystem sichtbar zu machen. In diesem Jahr lag der Fokus auf dekolonialem Widerstand.
Die Veranstaltungen können hier nachgehört werden.
Hunderte Menschen schwimmen nach Ceuta
Am frühen Morgen des 27. August nahmen knapp 300 Menschen die gefährliche Reise von Marokko in die spanische Enklave Ceuta auf sich – schwimmend.
Sie nutzten den Nebel, der sich in den Morgenstunden gebildet hatte, um sich vor der Überwachung der Grenzbeamt*innen zu schützen. Auch Sonntag und Montag hatten es bereits bis zu 1.500 Menschen schwimmend nach Ceuta geschafft.
Die Ankömmlinge erhielten medizinische Notfallversorgung gegen Unterkühlung und Erschöpfung. Aufgrund der Migrationsabkommen zwischen Spanien und Marokko wurden jedoch alle marokkanischen Staatsangehörigen – sofern sie nicht minderjährig waren oder Asyl einreichten – sofort zurück nach Marokko abgeschoben. Das Prinzip lautet „border rejection“ und soll zwischen 150 und 200 Menschen pro Tag nach Marokko abschieben. Menschen mit anderen Nationalitäten wurden zuerst von den Behörden festgehalten und dann nach einigen Tagen wieder freigelassen. Aus den Artikeln wird nicht ersichtlich, ob sie daraufhin ebenfalls abgeschoben wurden.
Die Grenzen zwischen den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla sind die einzigen Landesgrenzen zwischen Europa und Afrika. Die Abschottung ist enorm. Vor zwei Jahren wurden mindestens 23 Menschen beim Versuch getötet, Melilla zu erreichen. Diese letzten Grenzüberquerungen nach Ceuta sind einige der grössten der letzten Monate – und die gemeinsame Organisation ein Zeichen des Widerstands in Zeiten von Grenzmilitarisierung und Überwachung.
- https://newscentral.africa/hundreds-of-migrants-swim-from-morocco-to-ceuta-in-bid-to-enter-europe/
- https://www.infomigrants.net/ar/post/59381/up-to-1500-migrants-swim-to-spains-ceuta-enclave-from-morocco
- https://www.africanews.com/2024/08/27/hundreds-of-migrants-swim-into-spains-ceuta-enclave-from-morocco/
- https://www.thearabweekly.com/hundreds-migrants-swim-ceuta-morocco-amid-thick-mist
- https://www.middleeastmonitor.com/20240828-hundreds-of-migrants-swim-from-morocco-to-ceuta-in-bold-bid-to-enter-europe/
Was steht an?
Klimablock an der Lohndemo
Die grossen Gewerkschaften organisieren eine nationale Lohndemo. Der Klimastreik Bern ruft zur Teilnahme an der Demo auf und organisiert einen Klimablock.
21. September 2024 | 14:00 | Schützenmatte, Bern
Die Klimakrise und soziale Ungleichheit sind zwei Seiten derselben Medaille: Steigende Temperaturen und Extremwetterereignisse verschärfen die bereits schlechten Arbeitsbedingungen und gefährden unsere Gesundheit. Diesen Sommer haben wir gesehen, wie Hitzewellen die Arbeit auf dem Bau und in der Landwirtschaft erschweren. Doch die Unternehmen lassen sich vom kapitalistischen Profitzwang leiten und schicken uns Arbeiter*innen hinaus in die Hitze. Während wir unsere Gesundheit riskieren, verdienen sich die Chefs eine goldene Nase.
Gleichzeitig steigen die Kosten für’s Wohnen, die Krankenkasse und Lebensmittel seit Jahren. Unsere Reallöhne dagegen bleiben gleich oder sinken. Wir haben immer weniger Geld im Sack und die Kassen der Unternehmen und ihrer Besitzer sind voll. Deshalb fordern die Gewerkschaften höhere Löhne und rufen zu einer grossen Lohndemo auf.
Die Forderungen des Klimastreiks im Rahmen der Lohndemo sind:
- Mehr Zeit, weniger Emissionen! Eine radikale Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbussen, inklusive einer Anpassung der Arbeitszeiten an die klimatischen Bedingungen – weniger Arbeit an heissen Tagen ohne längere Arbeitszeiten im Winter.
- System Change not Climate Change! Das derzeitige kapitalistische Wirtschaftssystem zerstört mit seinem Wachstumszwang unsere Lebensgrundlagen. Es ist Zeit für einen grundlegenden Wandel, der soziale und ökologische Gerechtigkeit ins Zentrum stellt.