Wochenschau vom

Gedenken an das Massaker von Melilla, Protest gegen transnationale Repression, Schutz für gewaltbetroffene Migrant*innen

Was ist neu?

Frankreich: Der ultrarechte Rassemblement National ist fast an der Macht

Alerta! 33% der französischen Wählenden wollen den Rassemblement National (RN) – eine Partei, die von Anhänger*innen der Waffen-SS gegründet wurde – an die Macht bringen. Das auf die Schnelle ausgerufene Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) erzielte 28%. Darauf folgen Macrons Partei mit 20% und – deutlich abgeschlagen – Les Republicains mit 10% der Stimmen.

Der RN steht nach dem ersten Wahlgang in 300 Wahlkreisen deutlich an der Spitze. Die ultrarechte Partei setzte sich nicht nur in ihren traditionellen Gebieten durch, sondern gewann auch in zahlreichen neuen Wahlkreisen. 37 ihrer Kandidat*innen wurden bereits definitiv gewählt, weil sie mehr als die Hälfte der Stimmen erhielten. 400 RN-Kandidat*innen qualifizierten sich für den zweiten Wahlgang. Hierfür müssen Kandidat*innen mehr als 12.5% der Stimmen erzielen.

In den Wahlkreisen kommt es im zweiten Wahlgang entweder zu einem rechts-links-Duell zwischen RN und NFP oder zu einer Triangulation RN-NFP-Macron. Da die Stimmbeteiligung mit 67% sehr hoch war, werden am 7. Juli kaum neue Wähler*innen mobilisiert werden, die sich nicht bereits im ersten Wahlgang beteiligten.

Die Parteien versuchen nun, das aus ihrer Sicht „schlimmere Übel“ zu vermeiden. Für Marine Le Pen, die Leaderin des RN, geht es eindeutig darum zu verhindern, „dass das Land in die Hände einer extremen Linken mit gewalttätiger, antisemitischer und antirepublikanischer Tendenz fällt. Etwa, wenn die aktivistischsten Elemente der gewalttätigen oder kommunitaristischen Gruppierungen LFI (La France insoumise) und NPA (Nouveau Parti anticapitaliste) Jean-Luc Mélenchon als Premierminister durchsetzen würden.“

Das Linksbündnis hat schon vor den Wahlen angekündigt, sich in den Wahlkreisen zurückzuziehen, wo es zu einer Triangulation RN-NFP-Macron kommt, falls sie die Letztplatzierten im Dreieck seien. Dann erhöhe sich nämlich die Chance, dass Linke und die demokratischen Bürgerlichen für Macron stimmen und somit den Sieg des RN verhindern. Macrons Partei hingegen hat sich noch nicht klar positioniert. Werden sie sich in den Wahlkreisen, wo sie die schwächste der drei Parteien sind, ebenfalls zurückziehen und damit den NFP stärken, oder werden sie die Kandidat*innen im Rennen behalten und dadurch den RN stärken?

Schon heute ist klar: Der ultrarechte RN konnte den Wahlerfolg der EU-Wahlen vor drei Wochen bestätigen. Dort erzielte der RN mit 31,5% mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Liste von Macron. Dies brachte diesen dazu, noch am Wahlabend das französische Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu verkünden. Der zweite Wahlgang findet am kommenden Sonntag, 7. Juli, statt.

Was ist aufgefallen?

Flucht- und Migrationsrouten: Das Morden an den Grenzen der Festung Europa geht weiter

In der Nacht vom 16. auf den 17. Juni sank im Ionischen Meer, etwa 120 Meilen vor der Küste Kalabriens, ein Segelbooot mit 67 Menschen an Bord. Das Boot, welches im türkischen Hafen Bodrum in See stach, trieb nach einer Explosion des Motors bereits seit mehreren Tagen mit halb unter Wasser liegendem Rumpf. Am 16. Juni um 16:14 informierte Watch the Med – Alarmphone die zuständigen Behörden über das Boot in Seenot. Auch passierten laut den Überlebenden bereits mehrere Schiffe das Segelboot in Seenot ohne einzuschreiten. Erst am 17. Juni wurde das Boot geretet, viel zu spät, um das Überleben aller zu sichern. Nur zwölf Menschen wurden gerettet und elf überlebten das Unglück. Bei der Bergung konnten die Leichen von 35 Menschen gefunden werden. Die Übrigen bleiben für immer verschollen.

In der gleichen Nacht verloren weitere zehn Menschen ihr Leben auf der Flucht über das Mittelmeer. Durch den Notruf von Watch the Med – Alarmphone konnte das Segelschiff Nadir von RESQSHIP e.V. 51 Menschen aus einem seeuntüchtigen Holzboot, ca. 50 Meilen südwestlich von Lampedusa in der maltesischen Such- und Rettungsregion, retten. Der Motor war ausgefallen und das Holzboot somit manövrierunfähig. Im Unterdeck des Schiffes wurden mehrere Menschen aufgefunden, die an Benzingasen erstickt sind oder von den Gasen ohnmächtig wurden und im vollgelaufenen Schiffsrumpf ertranken. Zwei der evakuierten Menschen waren bei der Rettung bewusstlos und mussten notfallmedizinisch behandelt werden. Für weitere zehn Menschen kam die Rettung bereits zu spät.

In der Nacht zum 17. Juni liessen mindestens 45 Menschen ihr Leben im Mittelmeer. Am darauffolgenden Tag veröffentlichte BBC einen Bericht, welcher das unrechtsame Handeln der griechischen Küstenwache bestätigt. Die Geschichten der vielen im Mittelmeer Ermordeten und noch immer Vermissten erzählen uns schon lange, wie grausam die griechische Küstenwache vorgeht. BBC bestätigt mit einer Analyse von 15 Vorfällen der letzten drei Jahre, bei welchen insgesamt 43 Menschen starben, dass die Küstenwache Menschen vorsätzlich über Bord warf, sie zurückdrängte, verprügelte, jagdte und auf Rettungsinseln auf dem offenen Meer aussetzte. Die griechische Küstenwache mordet. Lang bekannt und doch mit jedem weiteren brutalen Detail ihres Vorgehens, welches an die Öffentlichkeit gerät, eine kleine mediale Empörung wert. Entscheidend ist nicht mit welchen gewaltsamen Praktiken sie morden, sondern dass sie gewollt morden und damit eine entscheidende Rolle im rassistischen und kolonialen Grenzregime Europas einnehmen. 
Versenken wir die griechische Küstenwache und bauen Fähren für alle.

Was war eher gut?

Besserer Schutz für gewaltbetroffene Migrant*innen 

Am 14. Juni 2024 entschied sich der National- und Ständerat: Gewaltbetroffene Migrant*innen können sich künftig trennen, ohne damit ihr Aufenthaltsrecht zu gefährden.

Der Artikel 50 des Ausländer- und Integrationsgesetzes regelt den Aufenthalt von Menschen, die durch Familiennachzug in die Schweiz gekommen sind und sich später trennen. Bisher entschieden sich Migrant*innen oftmals aus Angst, ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren, in einer gewalttätigen Partnerschaft zu bleiben.

Art. 50 wird nun entsprechend angepasst: Betroffene Frauen müssen zwar nach wie vor beweisen, dass sie von häuslicher Gewalt betroffen sind, jedoch wird das Beweismass nun heruntergesetzt. Neu gilt die Regelung nicht nur für Personen mit einer C‑Aufenthaltsbewilligung, sondern für alle Migrant*innen. 

https://www.brava-ngo.ch/de/aktuell/geschafft-parlament-beschliesst-besseren-schutz-fuer-gewaltbetroffene-migrant_innen

Was nun?

Ein Aufruf an die antifaschistische Bewegung

Mehrere Antifa-Kollektive veröffentlichen einen Aufruf, um auf die Rechtsentwicklungen in Deutschland zu antworten. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg wird bei den Wahlen im Herbst die AfD zweifelsohne als Siegerin hervorgehen.

Die Erfolge in Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden einen bedeutenden Schritt hin zur völligen Normalisierung der AfD darstellen. Diese Zäsur müsse die Ausgangsbedingung für eine neue antifaschistische Offensive werden, schreiben die Antifa-Kollektive: „Wann, wenn nicht jetzt, ist der Moment, eine neue antifaschistische Bewegung aufzubauen?“

Fünf Schritte seien nun hilfreich. (1) „Ehrliche Zusammenarbeit aller, die es ernst meinen (…), auch und gerade über Lager- und Strömungsgrenzen hinweg“. (2) Falls es stimmt, dass der Aufstieg der Rechten mit den sozialen Folgen der kapitalistischen Krise zusammenhägt, dann lasse sich die AfD „nur durch eine breite antikapitalistische Bewegung“ stoppen. (3) Antifaschist*innen müssen den Kampf um die Hegemonie aufnehmen und sich in die breiten sozialen Proteste stärker einmischen, um „darin hoffentlich die Basis für eine neue antifaschistische Bewegung“ zu erkämpfen. (4) Bei aller Integration in die Breite müssen die antifa-Maxime beibehalten statt aufgeweicht werden. (5) Drei Eigenschaften müsse der Kampf aufweisen, der Erfolgschancen haben will: „In allem, was wir tun, müssen wir vor allem für Kontinuität, Organisierung und Ansprechbarkeit sorgen“. 

Wo gab es Widerstand?

Antifaschistischer Widerstand gegen die Junge Tat

Am 22.6.24 wollte die Junge Tat eine Veranstaltung zu Remigration in Langenthal durchführen. Diese wurde jedoch von Antifaschist*innen gestört. 

Nebst den nur wenigen Gästen der zutiefst rassistischen Veranstaltung der Jungen Tat waren auch Antifaschist*innen vor Ort, die die Veranstaltung störten und den Skoda von Corchia zerstörten. 

Die Neonazis riefen schlussendlich die Polizei. Im Bericht auf Barrikade.info ist zu lesen: «Somit fiel die rassistische Veranstaltung nicht nur wegen dem schlechten Wetter ins Wasser, sondern es wurden auch viele Tränen seitens der Neonazis wegen dem brennenden Pfefferspray und Corchias zerstörtem Auto vergossen.»

https://barrikade.info/article/6493

Über 2000 Eritreer*innen demonstrieren gegen transnationale Repression

Trotz dem Regen protestieren am 22. Juni über 2000 regimekritische Eritreer*innen gegen die Einflussnahme der eritreischen Diktatur und fordern die Schweizer Politik auf, Eritreer*innen Schutz zu gewähren, statt sie zu diskriminieren. 

Die Demonstration startet auf dem Bundesplatz und zieht durch die Berner Innenstadt. Es beteiligen sich regimekritische Eritreer*innen aus allen Schweizer Landesteilen.

Die Forderungen der Demonstration waren: 

  • Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen abschaffen 
  • Propagandafestivals und Einflussnahme des Diktators verhindern
  • Ausschaffungen nach Ruanda oder andere Drittstaaten verhindern
  • Rassismus und SVP-Hassreden gegen Eritreer*innen stoppen

Auf dem Bundesplatz und auf dem Münsterplatz wurden Reden gehalten, in denen ein Ende der transnationalen Repression gegen Eritreer*innen gefordert wird und die Schweizer Behörden aufgefordert werden, Eritreer*innen nicht in Gefahr zu bringen.

CommemorAction am 24. Juni: Zwei Jahre nach dem Massaker bei Melilla

«Kein Vergessen, kein Vergeben». Zu diesem Slogan fand in Bern eine kleine, wütendtraurige Commemoraction statt. Kreiden verschönerten den Boden und Reden von Bfa! und Beim Namen Nennen erinnerten an die Getöteten des Massakers bei Melilla.

Das Massaker bei Melilla ist Ausdruck der rassistischen Todespolitik Europas. Am 24. Juni 2022 töteten marokkanische und spanische Grenzpolizist*innen mindestens 27 flüchtende, rassisfizierte Migrant*innen. Nebst diesen offiziell bestätigen zählt die marokkanische Nichtregierungsorganisation AMDH weitere 70 Personen, die seither als vermisst gelten. Insgesamt verloren an diesem Tag wohl 100 Menschen das Leben. Wütend und traurig gedenken wir den Getöteten des Massakers bei Melilla.

Video vom MSN 
Neuer Bericht von Border Forensics 

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Wie Rechtsextreme in die SVP drängen
Akteure am rechten Rand wollen Gedankengut und Begriffe in politische Parteien bringen. Wie gut das funktioniert, zeigt sich an der Jungen Tat – und an der Jungen SVP.
https://www.republik.ch/2024/06/21/wie-rechtsextreme-in-die-svp-draengen

Dead Calm: Killing in the Med? – BBC Documentary
https://www.youtube.com/watch?v=fkVfLm-aVY0