Solidarität gegen das EU-Grenzregime in der Sahara – Das Alarme Phone Sahara

Die Grenzen, die die europäischen Staaten gegen Migrant*innen und Flüchtende hochziehen, verlaufen längst weit ausserhalb der EU-Aussengrenzen, u.a. durch viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Das repressive Grenzregime schafft lebensgefährliche Bedingungen und lässt Menschen nicht nur im Mittelmeer und Atlantik sterben, sondern auch auf den Reisewegen durch Niger und andere Sahel- und Sahara-Staaten.

Dr. Azizou Chéhou – Koordinator von Alarme Phone Sahara – berichtete am 1. Oktober 2025 in einer Online-Präsentation über die Arbeit des Alarme Phone Sahara (APS) und Perspektiven von Migrant*innen. Diskutiert wurde, wie Solidarität und Widerstand transnational gestärkt werden können – auch aus der Schweiz.

Lokaler Kontext

Das Alarme Phone Sahara entstand als Reaktion auf die Not und das Sterben von Migrant*innen in der Sahara. Die Anfänge von APS reichen bis ins Jahr 2016 zurück, und haben ihre Wurzeln im Netzwerk Afrique-Europe-Interact (AEI) – einer Vernetzung von Aktivist*innen aus afrikanischen und europäischen Kontexten.

Die Entstehung von APS ist eng verbunden mit der Ausweitung der europäischen Migrationsbekämpfung auf den afrikanischen Kontinent, insbesondere nach Niger. Das Land ist ein zentraler Knotenpunkt verschiedener Migrationsrouten. Migration war schon immer ein Teil der alltäglichen Realität in der Region. Durch europäische Einflussnahme wurden 2015 Gesetze eingeführt, die Migration Richtung Europa sowie deren Unterstützung unter Strafe stellten. Ganze Teile der lokalen Wirtschaft wurden so kriminalisiert und entweder aufgelöst oder in den Untergrund gedrängt. Die Migration wurde dadurch nicht gestoppt, sie wurde jedoch viel teurer und viel gefährlicher Menschen auf der Flucht. 2023 wurden die repressiven Gesetze von der Regierung in Niger wieder aufgehoben. Seither sind die Migrationswege Richtung Norden wieder offener.

Gleichzeitig führt die europäische Einflussnahme in Ländern wie Algerien, Tunesien oder Libyen zu brutaler Repression gegen Menschen, die auf dem Weg nach Europa diese Regionen durchqueren. Immer wieder kommt es zu Massendeportationen. Zehntausende Menschen werden jedes Jahr in LKWs gepfercht und in der Wüste ausgesetzt, wo sie zu Fuss die nächste Siedlung erreichen müssen. Der Stress, die Gewalt und die klimatischen Bedingungen in dieser Region kosten immer wieder Menschenleben.

Die Arbeit von Alarme Phone Sahara

APS interveniert hier auf verscheidenen Ebenen. 

  • Nothilfe: APS leistet überlebenswichtige Hilfe in den unzähligen Notsituationen, die auf den Migrationsrouten und insbesondere in der Wüste entstehen oder geschaffen werden. 
  • Sensibilisierung: APS informiert Menschen on the Move und solche, die sich überlegen aufzubrechen, damit sie ihre Entscheidungen auf der Grundlage zuverlässiger Informationen treffen können.
  • Dokumentation: APS dokumentiert und verbreitet Nachrichten, Berichte und Erfahrungsberichte über die Realitäten der Migrationsrouten in der Sahel-Sahara-Zone.

Aktuelle Herausforderungen

Zunehmende Nachfrage nach materieller Unterstützung: Nahrungsmittel, Kleidung, Hygieneartikel und Körperpflegeprodukte. Gleichzeitig führen die harschen Umweltbedingungen zu Korrosionsschäden an den Fahrzeugen, die laufenden Unterhalt behötigen. 

Aktivist*innen von APS berichten von einer steigenden Anzahl Kindern die sie auf den Migrationsrouten durch die Wüste antreffen. Für sie sind zu Umstände besonders traumatisierend: Trennung von Bezugsbpersonen, Stress, Ausbeutung, Gewalt, Tod. 

Die Machtübernahme nationalistischer und (ultra)rechter Kräfte in Europa beobachten die Aktivist*innen mit Sorge. Die laufende Verschärfung europäischer Migrationspolitik, schafft immer neue Krisen und Gefahren, die einen direkten Einfluss auf ihre Arbeit in der Sahara-Sahel-Region haben. Verzerrte Narrative von «Überfremdung» und die Vorstellung, dass es ein «reines» Europa gäbe, das es zu verteidigen gelte, erscheinen gleichermassen absurd wie beängstigend. 

Es braucht eine Rekontextualisierung der Migrationsdebatte in Europa und starke Gegennarrative, die die Perspektive Bewegungsfreiheit ins Zentrum rücken. Es braucht Lobbying auf institutioneller Ebene und Basisarbeit, um tragfähige Netzwerke der Solidarität zu schaffen. Das Wissen der Organisationen vor Ort muss auch einbezogen werden in politische Entscheidungsfindungsprozesse. 

Links und weitere Informationen

Website Alarme Phone Sahara
Powerpoint-Präsentation der Veranstaltung (auf französisch)
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