Wochenschau vom

Afghanistanausschaffungen beginnen, Antiimperialist:innen demonstrieren, Militarismus erstarkt

Was ist neu?

Schweiz: Ausschaffungen nach Afghanistan wieder aufgenommen

Seit 2019 gab es keine Abschiebung nach Afghanistan mehr. Eine Reintegration in das Land wurde seit der Machtübernahme der Talibans allgemein als nicht zumutbar eingestuft. Zudem gab es gar keine Flüge mehr. Doch nun, unter der Verantwortung von SP-Bundesrat Beat Jans, ist das Staatssekretariat für Migration (SEM) zu einem neuen Schluss gekommen. Erstmals wurden zwei Personen per Linienflug abgeschoben.

Laut dem SEM handle es sich bei den betroffenen Personen um Straftäter, die ein Problem für die innere Sicherheit der Schweiz darstellen würden. Es scheint, als wurde die Zumutbarkeit der Ausschaffung bei den beiden betroffenen Personen nicht geprüft. Vermutlich kommt es zu weiteren Abschiebungen. Das SEM wolle «so schnell wie möglich» weitere Personen abschieben.

https://www.srf.ch/news/schweiz/rueckfuehrung-nach-afghanistan-schweiz-schafft-zwei-afghanen-nach-kabul-aus-erstmals-seit-2019

Polen, Ungarn und Holland wollen das Asylrecht aushebeln

In Polen will der Regierungschef Donald Tusk das Asylrecht vorübergehend aussetzen. Mit dieser Idee geht er auch auf die anderen EU-Staaten zu. Das Aushelbeln der Genfer Flüchtlingskonvention sei laut Tusk nötig, weil Russlands Präsident Wladimir Putin und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko gezielt geflüchtete Migrant*innen an die polnische Grenze fahren, um Europa zu destabilisieren. Auch in den Niederlanden und in Ungarn haben die Regierungen angekündigt, das Asylrecht aussetzen zu wollen. Mit dieser Forderung treten sie aktuell an die EU. Bisher heisst es noch, dieser Schritt werde gemacht, wenn die EU-Verträge dies zuliessen. Hierfür müssten alle 27 EU-Staaten zustimmen.

Urteil gegen Homayoun gefällt

Ein griechisches Gericht hat Sabetara Homayoun für schuldig erklärt. Die griechische Grenzpolizei nahm den iranischen Asylsuchenden im August 2021 fest und warf ihm Schlepperei und „Lebensgefährdung“ vor. Davor hatte Homayoun vier Tage ohne Nahrung oder Wasser in der Region Evros ausgeharrt, bevor er zusammen mit anderen in einem Fahrzeug mit sieben Insass*innen versuchte, über die Grenze nach Griechenland zu gelangen. Nach seiner Festnahme sass Homayoun fast ein Jahr lang in Untersuchungshaft, obwohl er keine Gefahr für andere darstellte und vollumfänglich mit den Behörden kooperierte. 

Am 26. September 2022 wurde er erstinstanzlich zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Nun wurde seine Haftstrafe auf 7 Jahre reduziert. Die bereits verbüsste Haftzeit und mildernden Umstände werden wohl berücksichtigt, sodass er bald einen Antrag auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung stellen kann. Trotzdem ist die Verkürzung des Urteils kaum eine gute Nachricht. Dass ein Mensch auf der Flucht kriminalisiert wird und hierfür auch nur einen Tag ins Gefängnis muss, ist ein Desaster. Und es ist mitnichten ein Einzelfall. In Griechenland laufen Unmengen an desolat geführten Prozessen gegen geflüchtete Menschen, auf deren Nacken ein katastrophales Asylsystem ausgetragen wird. Zudem steckt politisches Kalkül dahinter. Die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht und ihren Unterstützer*innen ist ein globales Phänomen, welches Regierungen zumeist nutzen, um unmenschliche Behandlung und rassistische Doppelstandards zu rechtfertigen. Ähnlich wie die Kategorie ‚irreguläre Migration‘ ist ‚Schlepper‘ ein stilisiertes Feindbild, welches die Verantwortung von den Regierungen selber ablenkt und in einem ‚bösen Aussen‘ oder letztlich sogar bei den Betroffenen selbst verortet: Täter-Opfer-Umkehr auf höchstem Niveau.

https://www.borderline-europe.de/unsere-arbeit/prozessbericht-zum-berufungsverfahren-von-homayoun-sabetara?l=de
https://usercontent.one/wp/legalcentrelesvos.org/wp-content/uploads/2024/05/Prelimiary-report-Homayoun-Trial-1.pdf

Tunesien: Kais Saied erreicht diktatorisches Wahlergebnis

Saied und Meloni schütteln sich gerne die Hand.

Wenig überraschend wurde der bisherige tunesische Präsident Kais Saied am Sonntag, dem 6. Oktober, bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt. Sein Wahlergebnis ist einem Diktator würdig: über 90% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war mit 27,7% historisch niedrig. Eine wirkliche Wahl bestand ohnehin nicht. Zugelassen waren nur zwei Herausforderer. Einer von ihnen sitzt im Gefängnis.

Kais Saied wurde 2019 erstmals gewählt. 2021 verschaffte er sich die volle Macht, indem er die Verfassung änderte. Danach wurde die Presse per Dekret mundtot gemacht, alle Gegenkräfte nach und nach zerstört, seine Gegner*innen eingesperrt und eine blutige, rassistische Repression gegen Migrant*innen angeordnet. Die Wahl erinnert an die des Diktator Ben Alis, der Tunesien von 1987 bis 2011 regiert und jede Opposition mundtot gemacht hat. 13 Jahre nach der Revolution von 2011, die Ben Ali gestürzt hat, wird es in Tunesien erneut existentiell, sich auf antidiktatorischen Widerstand vorzubereiten.

Aufgrund der oben genannten politischen Situation in Tunesien, fordert die NGO Sea Watch „die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit mit den tunesischen Behörden zur Migrationskontrolle zu beenden“. Sie machen in ihrem Statement deutlich, dass die „europäischen Massnahmen zur Externalisierung des Grenzmanagements nach Tunesien“ Sicherheitsbehörden unterstütze, welche schwerwiegende Verstösse begingen.

https://sea-watch.org/tunesien-ist-kein-sicherer-ort/
https://contre-attaque.net/2024/10/09/tunisie-le-retour-de-la-dictature/

Waffenexporte: Die offizielle Schweiz gibt Kontrolle auf

Der neue Vorschlag der Sicherheitspolitischen Kommission im Parlament sieht vor, dass Schweizer Waffen weiter exportiert werden können. Die Meinungen der linken Parteien spalten sich. Die SP verhilft im Endeffekt der Schweiz, zukünftig mehr Kriege zu finanzieren.

Seit dem Angriffs von Russland auf die Ukraine 2022 fragten Europäische Länder die offizielle Schweiz an, dass sie Schweizer Waffen an die Ukraine weitergeben können. Dies ist im momentanen Kriegsmaterialgesetz (KMG) verboten.

Die Sicherheitspoltische Kommission im Parlament diskutierte nun eine Lockerung des KMGs, damit dies möglich würde. Ein Problempunkt stellt besonders die Forderung nach der Neutralität der offiziellen Schweiz dar. Ihr Vorschlag zur Veränderung des KMGs will 25 Ländern erlauben, Schweizer Waffen an Drittländer weiterzugeben. Diese 25 Länder sind vor allem Mitgliedsstaaten der EU oder etwa Kanada, Australien und Argentinien. Politisches Ziel im Parlament ist es, die Ukraine unterstützen zu können, ohne den Neutralitätsstatus zu verlieren.

Die Grüne Partei, namentlich Marionna Schlatter und Eveline Schmid, Professorin für Völkerrecht an der Uni Lausanne, benennen bedenkenswerte Probleme des Vorschlags. Eines dieser Probleme ist, dass die offizielle Schweiz mit der Lockerung der Weitergabe ihre Kontrolle aufgibt, wie die Waffen eingesetzt werden. Zwar dürfen diese 25 Länder nur Waffen weitergeben, wenn sich das Empfangsland an gewisse Kriterien hält, wie zum Beispiel das Völkerrecht sowie die Menschenrechte. Doch die Gefahr besteht, dass die Staaten die Kriterien ungleich auslegen. Grossbritannien exportiert beispielsweise bereits jetzt Waffen nach Saudi-Arabien.

Die SP ist allerdings anderer Meinung. Gemäss Priska Seiler Graf, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, sei der Kontrollverlust vertretbar. Ausserdem plädiert sie an ein Vertrauen anderen Ländern gegenüber, dass diese Schweizer Waffen nicht an menschenrechtsverletzende Drittstaaten weitergegeben würden. Zudem argumentiert sie, dass die Rüstungsindustrie nicht davon profitieren wird. Swissmem, der Verband der Tech-Industrien der Schweiz, forderte allerdings Ende 2023 ebenfalls die Lockerung des Gesetzes. Ihr Vorschlag ist fast identisch mit demjenigen, den die Sicherheitspolitische Kommission gebracht hatte. Da Swissmem ein grosses Interesse an Profit hat, wird die Lockerung für sie Gewinn bringen.

Nur mit der Stimme der linken SP hat es der Vorschlag geschafft, dass die Kommission ihn annimmt. Er ist nun in der Vernehmlassung bis am 21. Oktober. Danach wird es noch mindestens 5 Jahre gehen, bis das neue Kriegsmaterialgesetz angewendet werden kann. 

Mit diesem Vorschlag bereitet sich die offizielle Schweiz aber auf jeden Fall auf weiteren Krieg vor – und finanziert ihn. Dazu zeigt sich im Vorschlag auch, dass die offizielle Schweiz zwar Neutralität predigt, aber diese nicht umsetzen will. Das Waffengesetz hat das Ziel, Kriegsmaterial an Kriegsakteure zu bringen. Dies passiert auch auf indirektem Weg genauso wie auf direktem Weg.

Mit dem indirekten Weg verschleiert das Gesetz den Bruch der Neutralität zwar, doch die Intention ist immernoch dieselbe. Besonders enttäuschend ist, dass die linke SP erst den Durchbruch für den Vorschlag möglich gemacht hat.

https://x.com/SchmidEvelyne/status/1844366748780462122
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-102715.html
https://www.woz.ch/2441/sicherheitspolitik/der-drohende-kontrollverlust/!N1GJ7Z894T2M

Was geht ab beim Staat?

Umweltverantwortungsinitiative kommt zur Abstimmung

Am 9. Februar 2025 stimmen die Stimmberechtigten über die Volksinitiative «Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen“ ab. Die sogenannte Umweltverantwortungsinitiative fordert, dass die Schweiz in 10 Jahren die planetaren Grenzen nicht mehr überschreiten darf.
Die Verfassung würde folgendermassen verändert: „Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben (…) Diese Bestimmung gilt namentlich in den Bereichen Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreintrag.“

Weltweit sind mindestens vier planetare Grenzen überschritten: Klima, Biodiversität, Stickstoff- & Phosphorkreislauf sowie Landnutzung. In der Schweiz werden die planetaren Grenzen massiv überschritten. Mit ihrem vergleichsweise hohen Konsumniveau gehört die Schweiz zudem zu den Ländern mit überdurchschnittlich grossen Umwelt-Fussabdrücken pro Person.

https://umweltverantwortung.ch/
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-102721.html

Was ist aufgefallen?

Sieben Zehn

Der Tag kam nicht irgendwie, sondern nach Jahrzehnten der Unterdrückung, Besatzung, Apartheid. Vor einem Jahr, am 7. Oktober 2023, griffen Kämpfer*innen unter dem Kommando der Hamas in Israel Menschen mit entmenschlichender, brutalster Gewalt an. Über tausend Menschen wurden an diesem Tag getötet, hunderte entführt – viele befinden sich noch heute in Geiselhaft. Für Überlebende bleibt dieser Tag traumatisierend in Erinnerung. Als Reaktion griff die israelische Armee mit genozidaler Gewalt Palästinenser*innen im Gazastreifen an. Über 40’000 Menschen wurden bereits getötet – ein Grossteil davon sind Kinder und Zivilst*innen. Viele befinden sich in israelischen Gefängnissen in Geiselhaft. Überlebende werden seit einem Jahr ständig aufs Neue traumatisiert. Seit drei Wochen weitet der israelische Staat die Angriffe auf den Libanon, Jemen, Irak und Iran aus. Allein im Libanon wurden bereits über tausend Menschen getötet. Über eine Million Menschen befindet sich auf der Flucht. Überlebende wurden und werden ständig aufs Neue traumatisiert.

Die USA und westlichen Verbündeten Israels stehen bisher „bedingungslos“ hinter der Gewalt der israelischen Armee. Statt zu fordern, den Genozid zu stoppen, sprechen sie weiterhin vorwiegend von Israels angeblichem Recht auf Selbstverteidigung. Sie schweigen, wenn israelische Soldat*innen alle Palästinenser als Hamaskämpfer betrachten und systematisch auf alle männlich Gelesenen schiessen. Sie schweigen, wenn der israelische Staat mit Bomben und Panzern internationales Recht verletzt, indem Schulen, Spitäler, überlebenswichtige Wasser- und Stromversorgungssysteme und Infrastrukturen der humanitären Hilfe zerstört werden. Sie schweigen, wenn der internationale Gerichtshof Israel am 26. Januar auffordert, genozidale Handlungen unverzüglich zu stoppen und sich dann nichts bessert. Sie schweigen, wenn gegen die israelischen Führungspersonen beim internationalen Strafgerichtshof ein Haftbefehl beantragt wurde und sich dann nichts bessert. Sie schweigen, wenn UNO-Berichte Israel vorwerfen, für unmenschliche Behandlung verantwortlich zu sein und sich dann nichts bessert.

Sie schweigen auch, wenn im Westjordanland religiös-fundamentalistische Siedler*innen aus den 145 illegalen Siedlungen Palestinänser*innen angreifen und drangsalieren. Sie schweigen auch, wenn der Verteidigungsminister Yoav Gallant 48h nach dem 7.10.23 den Tarif des Angriffs auf den Gazastreifen bekannt gibt: „Kein Strom, kein Wasser, keine Nahrung, kein Treibstoff. Alles wird geschlossen (…) Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend“. Sie schweigen auch, wenn es der Wirtschaftsminister Bezalel Smotrich am 5. Augst 2024 als „moralisch gerechtfertigt“ erachtet, die Bewohnenden von Gaza „an Hunger sterben zu lassen“. Sie schweigen, wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanyahou am 8.10.24 den Bewohner*innen von Beyrouth mit „Zerstörung und Leiden“ wie in Gaza droht.

Angesichts von all dem ist es richtig, Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand und der angegriffenen Bevölkerung im Libanon zu zeigen. Wir als Teil der antirassistischen, antikolonialen und abolitionistischen Linken müssten dies dringend viel entschiedener tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Doch ist es wichtig, dies nicht „bedingungslos“ zu tun und quasi hinter allem zu stehen, was Israel schadet. Bisher schweigen wir mehrheitlich, wenn uns vorgeworfen wird, den 7. Oktober in unseren Analysen und auf Demos nicht (genügend) zu gewichten. Wir schweigen mehrheitlich, wenn wir gefragt werden, wie wir es mit den Hamas, die den palästinensischen Widerstand aktuell steuern, halten. Wir schweigen mehrheitlich, wenn uns vorgeworfen wird, (fundamentalistisch-)muslimische politische Akteur*innen nicht mit denselben Massstäben zu kritisieren, wie wir es bei (fundamentalistisch-)jüdischen politischen Akteur*innen tun. Wir schweigen mehrheitlich, wenn wir dafür kritisiert werden, innerhalb der Linken damit zu einem starren, aufgeladenen Lagerdenken beizutragen. Wir schweigen mehrheitlich angesichts des spürbaren Anstiegs des Antisemitismus. Wir schweigen mehrheitlich, wenn es darum geht, der Opfer des 7. Oktobers zu gedenken und innerhalb unserer Bewegung kaum Mitgefühl spürbar ist.

Lasst uns dies ändern. Und den Schock und Schmerz des 7. Oktobers anerkennen und Mitgefühl äussern, wie wir es mit dem Schmerz und Schock zehntausender Palästinenser*innen und Menschen im Libanon tun. Lasst uns gegen den Genozid im Gazastreifen einstehen und das heuchlerische Schweigen der westlichen Herrschenden weiterhin bekämpfen. Lasst uns gleichzeitig mit unserem eigenen Schweigen zu komplexen Fragen brechen. Die antirassistische, antikoloniale und abolitionistische Linke verfügt über genügend wegweisende Werte, die Orientierung bieten in diesen dunklen, komplexen Zeiten: Für unsere Gerechtigkeit stehen die individuelle und kollektive Emanzipation sowie die Solidarität, die Gleichwertigkeit und die Befreiung aller unterdrückten und ausgebeuteten Menschen – und nicht nur eines Teils.

https://www.mediapart.fr/journal/international/061024/gaza-silence-coupable-resonance-coloniale
https://geschichtedergegenwart.ch/sieben-zehn-wie-erinnern-an-einen-tag-der-noch-andauert/
https://www.contretemps.eu/dossier-palestine-guerre-gaza-liberation/
https://www.tagesanzeiger.ch/essay-von-eva-illouz-die-linke-hat-ihre-leitwerte-verraten-180791025136

Mileis anti-feministischer Sparkurs

Argentiniens Präsident spart Frauenhäuser und Programme für sexuelle Aufklärung kaputt, sogar das Ministerium für Frauen und geschlechtliche Vielfalt hat er abgeschafft. In Österreich wurden feministische Aktivist*innen brutal verhaftet. Die vielen Gesichter des Faschismus.

Ultrarechte Parteien werden seit einiger Zeit überall auf der Welt gewählt. Und neben ihrem Kampf gegen asylsuchende Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, gegen Arme und gegen Linke, führen sie auch einen Kampf gegen Frauen und Queers. Erst Ende September kam die FPÖ in Österreich auf Rekordergebnisse, letzte Woche wurden dann in Innsbruck sechs Aktivist*innen brutal verhaftet. Sie hatten u.a. die Slogans „Ni Una Menos“ (z. Dt. Nicht eine weniger), „Wand der Feminizide“, „Unser Blut an euren Händen – Unsere Wut an euren Wänden“ an die Wände der Büros von FPÖ und ÖVP gesprayt. Im Jahr 2024 gab es in Österreich bereits 22 Feminizide. 22 Frauen, die als Angriff auf ihr Geschlecht ermordet wurden. Und auch in Argentinien, wo 2015 die weltweite feministische Bewegung „Ni Una Menos“ ihren Anfang nahm, um auf die horrende Anzahl Feminizide aufmerksam zu machen, greift die rechte Regierung unter Milei Frauenrechte und LGBTQ-Rechte an. Er hat sogar das Ministerium für Frauen und geschlechtliche Vielfalt abgeschafft. Die Aktivistin und Parlamentarierin Monica Maca sagt im Interview mit dem Radio SRF, die letzten vierzig Jahre Arbeit seien so zunichte gemacht worden. Zudem würde Milei Frauen und Queers seit Tag 1 seiner Amtszeit zu Feindbildern erklären – in einem Jahr, in dem die Zahl der Feminizide um 11% angestiegen sei. Viele befürchten, Milei könne als nächstes das Abtreibungsrecht ins Visier nehmen. Seit 2020 sind Schwangerschaftsabbrüche in den ersten 14 Wochen in Argentinien legal. Auch Frauenhäuser und der ‚Plan Eña‘ werden in Grund und Boden gespart. ‚Plan Eña‘ ist ein Aufklärungsprogramm für Teenager, welches dafür sorgte, dass Teenagerschwangerschaften um 50% zurückgingen – z.B. indem Kondome verteilt wurden. Dass eine Regierung mit ihrem Hass auch das Verhalten der Menschen auf den Strassen entfesseln kann, wird im Bericht von Yanina Chavez deutlich: Sie erzählt, dass sie seit der Wahl Mileis mehr transfeindliche Äusserungen erfährt. Täglich wird sie angefeindet, traue sich nur im Hellen und mit Begleitung auf die Strasse. Sie sagt, Milei habe „Unsagbares wieder salonfähig gemacht“.

Lasst uns erinnern – Faschismus kommt nie nur mit einer Ideologie (Rassismus, Fremdenhass) daher, sondern bedient sich immer weiterer Ideologien (Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Klassismus). Und das ist in Zeiten von Krisen auch kein Zufall. Die Ausbeutung von BIPoC- und FLINTAQ-Körpern muss gerechtfertigt werden, um das System aufrecht zu erhalten. Wenn Menschen entmenschlicht und entrechtet worden sind, kann man sie viel leichter als billige Arbeitskräfte nutzen – oder gar kostenlos.
Und das ist letztlich das, was der Kapitalismus in der Krise braucht, um am Leben gehalten zu werden.
*BIPoC (Black Indigenous People of Colour)
*FLINTAQ (Frauen Lesben Inter Nicht-Binär Trans Agender Queer)

https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/argentinien-frauenrechte-unter-druck?partId=12669791

Was nun?

Crowdfunding für den Bau eines Hauptsitzes der Indigenenorganisation PARIRI im oberen Rio Tapajós

Die Schweiz beherbergt den grössten Goldraffinerie- und Transitplatz der Welt. In den fünf grössten Raffinerien der Schweiz wird rund 70% der global geförderten Goldmenge verarbeitet. Dies hat Folgen. Bspw. lebt in einem der am stärksten vom illegalen Goldabbau betroffenen Gebiete Brasiliens die indigene Gemeinschaft der Mundurukú. Die Verschlammung der Flüsse und die Vergiftung des Wassers bedrohen ihre Lebensgrundlage akut. Im Juni 2023 lancierte die Indigenenorganisation PARIRI den Bau eines Hauptsitzes, um ein koordiniertes Zusammenwirken aller Mundurukú Gemeinschaften am oberen Rio Tapajós zu fördern. Der Rohbau steht schon. Für den Weiterausbau braucht es Unterstützung! Deshalb hat die GFBV ein Crowdfunding gestartet.
https://www.gfbv.ch/de/crowdfunding-hauptsitz-pariri/?utm_source=Spezialversand&utm_campaign=8b1a4f7450-CF0324+Hauptsitz+Pariri+DE+CTA2&utm_medium=email&utm_term=0_f69e594b9a-8b1a4f7450-%5BLIST_EMAIL_ID%5D

Wo gab es Widerstand?

Bern: Antiimperialistische Demo bildet Allianzen

Am 12. Oktober 2024 nahmen sich 500 Menschen die Strassen in Bern. Es wurden antiimperialistische Reden zu Westsahara, Kongo, Libanon, Philippinen, Palästina, Kanaky, der Schweiz und Europa generell, sowie Themen zu politischer Gefangenschaft, Grenzregimes, Widerstand und Formen der Solidarität gehalten. Anstatt verschieden Kontexte, Formen des Widerstandes und der Solidarität gegeneinander auszuspielen, konzentrierte sich die Demo auf das gemeinsame Ziel verschiedener Kämpfe: den Imperialismus.

«Wir sehen so viele Formen der Gewalt weltweit, ausnutzende Arbeitsverhältnisse, politische Gefangenschaften, Hungersnöte, Klimakatastrophen, tödliche Grenzen, Kriege und Genozide. Und wir sind heute hier, weil wir anerkennen, dass – gerade in einer globalisierten Welt – dies nicht unabhängig von einem Schweizer Alltag geschieht», so eine demonstrierende Person.

Auch die Komplizenschaft der Schweiz war ein Thema. Mit dem Finanzierungsunterbruch an die UNRWA, die 18 Millionen Investition der SNB an die israelische Waffenfirma Elbit Systems, dem Sitz von Glencore in der Schweiz, der Mitfinanzierung der tödlichen Frontex und der fehlenden oder verfälschenden Berichterstattung der Schweizer Medien über die verschiedenen Kontexte, stehen die globalen imperialistischen Formen der Gewalt in direktem Zusammenhang mit Bern.

«Wir solidarisieren uns mit Widerstandsbewegungen weltweit und wir verstehen diese Solidarität als ein Verb», sagt die Mediensprecherin der Demo. Mit diesem Verständnis der Solidarität, steht die Demo und deren politischer Ansatz unter dem Satz, der oft Martin Luther King oder Maya Angelou zugeschrieben wird: «Keine Person ist frei, solange nicht alle frei sind.»

Was steht an?

Zum 20-jährigen Bestehen von Frontex gibt uns Vanessa Thompson* eine kritische Einordnung der Agentur in das europäische Grenzregime und zeigt Wege zu abolitionistischen Widerstandsformen auf.

Am 25. Oktober ab 17:30 Uhr findet die Inputveranstaltung gleichzeitig an folgenden Orten statt:

Online: Zoom-Link wird kurz vor dem Anlass auf bewegungsfreiheit.ch aufgeschaltet
In Basel: Klyck Quartierarbeit, Kleinhüningerstrasse 205, 4057 Basel
In Bern: Living Room, Moserstrasse 30, Bern
In Zürich: Post Squat, Kino, 1. Stock, Wipkingerplatz 7, Zürich

Die Inputveranstaltung findet auf Hochdeutsch statt.

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Faktencheck zur Reform des „Gemeinsamen Euopäischen Asylsystem“ (GEAS)
https://www.medico.de/fileadmin/user_upload/media/geas-faktencheck.pdf

Geflüchtete in Italien Flucht und Migration an den Rändern Europas
Ein Ausblick auf das gemeinsame europäische Asylsystem
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/readingtips/2024_07_Vortr%C3%A4ge%20LAND%202024%20als%20BERICHT.pdf

Dublin-Kroatienabschiebungen
Schweiz führt im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Abschiebungen durch.
https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2024/07/AIDA-HR_2023-Update.pdf