Rückblick vom

Justice 4 Nzoy, Kritik an Jans, gegen extreme Mitte

Was ist neu?​​​​​​​ ​​​​​​​

Justice4Nzoy: Rassistische Kompliz*innenschaft zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft

Roger Nzoy Willhelm wurde im Sommer 2021 von der Polizei erschossen. Dank seines Umfeldes und der Kampagne „Justice 4 Nzoy“ konnte der rassistische Polizeimord bisher nicht vertuscht werden. Doch nun will der zuständige Staatsanwalt Laurent Maye die Ermittlung einstellen und die Klage fallen lassen.

Nzoy starb am 30. August 2021 auf einem Perron des Bahnhofs Morges. Passant*innen hatten die Polizei gerufen, weil sie auf den Gleisen eine psychisch verwirrt wirkende Schwarze Person beobachteten. Vor Ort schiesst einer von vier weissen Polizist*Innen drei Mal auf Nzoy. Am Boden fesseln sie ihn mit Handschellen. Ohne Hilfe lassen sie ihn minutenlang liegen. Bis Nzoy stirbt.

Die Polizei-Beamt*innen verteidigen ihren rassistischen Mord. Sie hätten aus Notwehr geschossen. Nzoy sei mit einem Messer auf die Polizei-Beamt*innen los. Leider zeigt sich einmal mehr, dass nicht nur die Polizei ein Problem ist, sondern auch ihre Alliierten in der Staatsanwalt.

Der zuständige Staatsanwalt Laurent Maye sorgte von Beginn an dafür, dass die Ermittlungen nur schleppend vorankamen. Er untersuchte halbherzig und weigerte sich, die Ermittlungen gegen die tatenlos zuschauenden Polizisten wegen unterlassener Hilfeleistung auszuweiten. Nun will er die Ermittlungen ganz einstellen und auf einen Prozess verzichten. Der Polizist habe wirklich aus Notwehr gehandelt und die angemessenen Massnahmen ergriffen, um Schüsse zu verhindern. Dass genau dies Richter*Innen und nicht er beurteilen müssten, blendet er aus.

Nzoy ist die fünfte Schwarze Person, die innheralb von fünf Jahren aufgrund der waadtländer Polizei stirbt. Hervé Mandundu stirbt, weil ein Polizist ihn vor seiner Haustür erschiesst. Der Täter wird freigesprochen, weil er in Notwehr gehandelt habe. Mike Ben Peter stirbt nach einer Polizeikontrolle. In seinem Fall ist auch Laurent Maye der Staatsanwalt. Erstinstanzlich werden alle sechs beteiligten Polizisten freigesprochen. Bei den anderen drei Tötungen kam es nicht einmal zu einem Gerichtsverfahren. Die Fälle zeigen, dass die Staatsanwalt bei Polizeimorden parteilich ist. Wohl wegen geteilter rassistischer Ansichten. Sicherlich auch, weil sie innerhalb der Kantone eng mit der Polizei zusammenspannen und kaum bereit sind, gegen diese vorzugehen.

https://inside-justiz.ch/staatsanwalt-maye-nicht-mal-ein-gerichtsprozess

Was geht ab beim Staat?

Kommt der koloniale EU-Mercosur-Deal zustande?

Die EU künden ein Freihandelsabkommen mit dem Wirtschaftsbündnis Mercosur an. Zu dem Mercosur-Staaten zählen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Das Abkommen wird koloniale Konituitäten verfestigen und dem Ziel der Klimagerechtigkeit zuwiderlaufen.

Das Merconsur-Abkommen reproduziert koloniale Handelsverhältnisse. In den vergangenen Jahren haben vor allem chinesische Unternehmen ihren Einfluss in Südamerika erhöht. Aufgrund von imperialistischen Interessen wollen die Herrschenden in der EU den Mercosur-Markt nicht noch mehr den chinesischen Unternehmen überlassen. Das Abkommen soll die EU in der weltweiten Staatenhierarchie besser positionieren. Konkret will die EU alte koloniale Handelsrezepte anwenden. Das Abkommen würde nämlich besonders den grossen und reichen europäischen Unternahmen einen zollfreien Zugang zu Märkten in Südamerika sichern. Vorwiegend um teure – industriell veredelte – Waren, zu exportieren und von dort günstige – weil unverarbeitete – Rohstoffe und insbesondere landwirtschaftliche Produkte zu importieren. Genau in dieser Asymmetrie besteht die wirtschaftliche Struktur des Kolonialismus.

Das Abkommen stärkt die unökologische industrielle Landwirtschaft. Der Abbau von Handelsbarrieren für den Export von Rohstoffen in die EU, wird in Südamerika eine exportorientierte Landwirtschaft mit unökologischen Monokulturen und Mega-Viehzucht fördern. Nicht zuletzt freut dies europäische Firmen, die zollfrei den nötigen Dünger und die Pestizide dafür liefern werden. Zudem wird das Abkommen die grossflächige Abholzung des Amazonasgebiets befeuert. Dass in dieser Dynamik ökologisch produzierende (indigene) Kleinbäuer*innen vertrieben werden, wird genauso in Kauf genommen, wie der Umstand, dass ökologische Standards im Abkommen nebensächlich sind. Der Import von billigen landwirtschaftlichen Produkte wird auch in der EU kleine Landwirtschaftsbetriebe unter Druck setzen. Nicht zuletzt auch alle jene, die heute versuchen, ökologisch nachhaltig zu arbeiten.

Der Mercosur-Deal ist noch offen. Die Herrschenden in Deutschland als Exportland von Industrie- und Pharmaprodukten sind eher für das Abkommen, während jene in Polen und Frankreich, die den erhöhten hohen Druck auf die lokale Landwirtschaft gewichten, eher dagegen sind.

https://www.rosalux.de/news/id/52851
https://www.labournet.de/internationales/latein-_und_zentralamerika/das-abkommen-mercosur-europaeische-union-der-freihandelsvertrag-bei-dem-die-eu-industriegueter-liefert-und-der-mercosur-rohstoffe-und-derivate/

Was ist aufgefallen?

Beat Jans: mit Dialog und Härte

Beat Jans bereist die Schweiz und besucht verschiedene Bundesasylzentren. Die Besuche verbessern nicht etwa die Bedingungen der dort untergebrachten Geflüchteten, sondern führen zur Wiederaufnahme von Dublin-Rückführungen nach Italien.

Bundesrat Beat Jans führt fleissig Dialoge. Er selbst beschreibt in einem Interview mit dem Strassenmagazin Surprise, dass er mit möglichst vielen Menschen im Gespräch sein möchte. Dazu gehören für ihn auch die Besuche in den Bundesasylzentren (BAZ) für einen Austausch mit Geflüchteten.
Man könnte sich jetzt vorstellen, dass Beat Jans in den Bundesasylzentren mit geflüchteten Menschen am Kaffee-Tisch sitzt und ihnen geduldig zuhört. In der Realität trifft er in den Lagern andere europäische Politiker, prahlt mit den Schweizer Vorzeige-Lagern und verführt sie zur Rückschaffung Geflüchteter. Die Lager in die Geflüchtete gesperrt werden, dienen als Schauplatz für Dialoge über Verschärfungen einer sowieso schon unmenschlichen europäischen Migrationspolitik.

Von Chiasso bis Bern. Am 25. November besuchte Beat Jans das BAZ in Chiasso, um sich dort mit dem italienischen Innenminister Matteo Piantedosi zu treffen. Teil des Gesprächs war unter anderem die Wiederaufnahme der Dublin-Rückführungen nach Italien. Seit Dezember 2022 übernimmt Italien keine Dublin-Fälle aus anderen europäischen Ländern. Eine Änderung dieser Praxis war bisher nicht vor der Umsetzung der GEAS-Reform 2026 in Aussicht gestellt worden. Asylsuchende, die bei der Durchreise in Italien registriert wurden, können nach Dublin-Abkommen in das Land der Erstregistrierung zurückgebracht werden. Auf jedes Asylgesuch eintreten dürfte die Schweiz aber in jedem Fall. Praktisch schieben die Schweizer Behörden die Verantwortung für das Bearbeiten von Asylgesuchen lieber an andere Staaten ab.
Innenminister Piantedosi, welcher als Salvini-Liebling ins Amt kam und als erste Amtshandlung ein Anladeverbot für Schiffe der zivilen Seenotrettung vorschlug, liess sich von Beat Jans verführen. So schrieb das SEM in einer Medienmitteilung, dass Piantedosi sich gesprächsbereit zeigt, die Dublin-Rückführungen wieder aufzunehmen. Noch können geflüchtete Menschen in der Schweiz für 18 Monate untertauchen bis die Überstellungsfrist nach Italien abgelaufen ist und sicher sein, dass dann auf ihr Asylgesuch eingegangen wird. Doch wie lange dies noch funktionieren kann, hängt vom Ausgang weiterer Dialoge ab.

Nur wenige Tage später trifft Beat Jans im BAZ in Bern den zypriotischen Migrationsminister Nicholas Ioannides. Dort stellt Beat Jans das Schweizer Lagersystem vor. In der Hoffnung, dass auch bald in Zypern gefängnisähnliche Lagerstrukturen wie in der Schweiz entstehen. Von der rassistischen Ausschlusspolitik der Schweiz schaut man sich gerne ab.

Die Dialoge, welcher Beat Jans führt, sind integrativer Bestandteil der EU-Migrationspolitik. Sie bereiten oft die Basis für bilaterale Abkommen, welche mehr Ausschaffungen ermöglichen und den Geldfluss aus der Schweiz in die EU-Migrationskontrolle sichern.

Deutsche Politiker der ‚extremen Mitte‘

Vier alte weisse Männer, die gleichen ausgelutschten Phrasen: Rechtes Framing sondergleichen. Ähnlich wie in der Winter-Session der Schweiz geht es auch unter deutschen Politiker*innen heiss her. Ganz locker werden hier grundlegende Rechte in Frage gestellt und geflüchtete Menschen als Gefahr dargestellt.

1. Joachim Stamp (FDP), trotz Ampel-Aus Sonderbevollmächtigter für sog. Migrationsabkommen, behauptet, das Spuk-Gespenst ‚irreguläre Migration‘ müsse drastisch reduziert werden. Dies könne durch sog. Migrationspartnerschaften erreicht werden. Auch wolle er hierfür ein erweitertes Mandat, um auch „mit problematischen Staaten wie Afghanistan direkt zu verhandeln.“ Seine Aussagen machen nichts anderes, als geflüchtete Menschen wieder einmal zur Bedrohung zu stilisieren. ‚Irreguläre Migration‘ ist ein Kampfbegriff und wenig mehr. Und die so bezeichneten Partnerschaften bedeuten, dass in Drittstaaten diese geflüchteten Menschen mit drastischen Massnahmen und unter horrenden Bedingungen zurück- und festgehalten werden und leichter abgeschoben werden können. Meistens im Austausch mit Krediten, Visa-Erleichterungen, militärischer Ausrüstung oder Ausbildung, sowie Förder-Programmen, welche bestimmte Kriterien verlangen. Oder z.B. mit der Kontrolle von Ressourcen einhergehen. Auch den mehrfach gescheiterten Plan der britischen und italienischen Regierungen, Asylverfahren in Drittstaaten durchzuführen, bringt er wieder ins Feld. Ausserdem würde Stamp also gerne direkt mit den Taliban verhandeln. Da fehlen einer*m die Worte: Genau, lieber verhandle ich mit einer Terrormiliz, die gerade Frauen den letzten Zugang zu einer weiterführenden Ausbildung im Land (als Hebamme und Krankenschwester) versperrt hat, als einzusehen, dass ich nicht nach Afghanistan abschieben sollte. Ganz zu schweigen davon, dass das versprochene Kontingent noch nicht einmal ausgeschöpft wurde.

2. Auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) bedient sich am Kampfbegriff ‚irreguläre Migration‘ und schert gleich einmal alle geflüchteten Menschen über einen Kamm, in dem er sie als als ‚Unsicherheitsfaktor‘ bezeichnete. Es gibt eine wahrhaftige Obsession mit ‚Sicherheit‘ und sie wird auch bewusst geschürt, doch wer muss hier eigentlich vor wem geschützt werden? Was ist mit den Menschen, die jeden Tag an den Grenzen unter horrenden Bedingungen staatlicher und europäischer Macht ausgeliefert sind? Laut Poseck dürfe auch der Abschiebeflug Ende August nach Afghanistan keine Ausnahme bleiben. Er fordert weitere Abschiebungen nach Afghanistan. Mit diesen Forderungen ist er nicht alleine:

3. Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Dirk Wiese äusserte sich ähnlich. Denn im Jahr 2024 betreiben die SPD und auch die Grünen rechte Asyl- und Migrationspolitik. Der Trend zu einer immer weiteren Verschiebung des Diskurses nach rechts und einer ‚extremen Mitte’ wird an diesen und ähnlichen Aussagen deutlich. Bei der letzten Ministerpräsident*innen-Konferenz Ende Oktober in Leipzig hatten die Regierungschef*innen gefordert, Afghanistan und Teilregionen Syriens für Abschiebungen zu prüfen. Ein weiteres Beispiel dafür, wo Unrecht zu Recht wird.

4. Stephan Stracke (CSU) ist Wortführer der Forderung, erwerbslosen ukrainischen Geflüchteten künftig das Bürgergeld zu streichen. Stattdessen sollen sie Asylbewerberleistungen erhalten, welche hundert Euro niedriger sind. Dass es überhaupt einen Unterschied gibt, ist rassistisch bedingt. Ähnlich wie in der Schweiz, wo die Nothilfe weniger ist als die Sozialhilfe. Doch es ist genauso rassistisch, zwei vulnerable Gruppierungen (Asylbewerber*innen und Bürgergeld-Beziehende) gegeneinander auszuspielen. Und einen Kampf gegen die Armen zu führen, egal welcher Herkunft, war auch schon immer rechts. Bürgergeld-Streichungen werden z.B. gerade von der neo-faschistischen Regierung Melonis durchgeführt. Und werden nun in Deutschland von der CDU für Langzeitarbeitslose geplant. Die haltlosen Behauptungen, die dahinter stehen: sie würden dadurch von der Arbeitssuche abgehalten. Die Rechten weltweit haben ähnliche Strategien. Lasst uns diese entlarven und auseinandernehmen!

https://www.rp-online.de/politik/deutschland/migrationsabkommen-joachim-stamp-will-kuenftig-mit-afghanistan-direkt-verhandeln_aid-121270783
https://www.tagesspiegel.de/politik/es-geht-um-unsere-sicherheit-hessens-innenminister-fordert-weitere-abschiebungen-nach-afghanistan-12731576.html

Was nun?

Das Gesichtsverhüllungsverbot gilt ab 2025

Ab dem 1. Januar 2025 wird es an öffentlich zugänglichen Orten in der ganzen Schweiz verboten, das Gesicht zu verhüllen. An seiner Sitzung vom 6. November 2024 hat der Bundesrat die neuen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen ab diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzt. Wer unrechtmässig das Gesicht verhüllt, wird mit einer Busse von maximal 1’000 Franken bestraft. 

Am 1. Januar trat das neue Gesichtsverhüllungsverbot in Kraft. Mit diesem Gesetz sind nun Gesichtsverhüllungen an öffentlich zugänglichen Orten verboten. Ausgenommen davon sind zum Beispiel Religionshäuser, Brauchtum oder bewilligte Demonstrationen. Nicht ausgenommen sind religiöse oder kulturelle Zwecke, wie etwa das Tragen der Nikab. Die Polizei kann nach einer Verwarnung eine Busse von bis zu 1’000 Franken geben. Das Gesetz wurde 2019 in einer Abstimmung angenommen. 

Vorwand: öffentliche Sicherheit. Der Abstimmungskampf war von tiefem antimuslimischem Rassismus und Sexismus geprägt. Diese Absichten waren zum Teil versteckt unter dem angeblichen Ziel vom Schutz der öffentlichen Sicherheit mit Verweis auf vermummte Hooligans. Die Rechtfertigung kann aber nicht überzeugen, denn tatsächliche Sicherheit wird mit diesem Gesetz nicht umgesetzt. 

Bereits jetzt kann die Polizei Personen auffordern, ihr Gesicht zu zeigen, um die Identität feststellen zu können. Zudem hat das Bundesgericht entschieden, dass bei Demonstrationen Ausnahmen von diesem Gesetz notwendig sind. Es anerkennt, dass von Diskriminierung betroffenen Menschen ihre Identität auch an unbewilligten Demonstrationen schützen dürften, um eine spätere Benachteiligung in der Gesellschaft zu umgehen. Mit diesen eingeplanten Ausnahmen kann das Verhüllungsverbot also sowieso nicht flächendeckend angewendet werden.

Mit dem öffentlichen Schutz argumentieren auch sogenannte Möchtegernfeminist*innen. Falls das Verbot tatsächlich auf den Schutz der Frauen vor patriarchaler Unterdrückung zielen sollte, dann wirkt es paradox, dass mit dieser Busse die Frauen selbst bestraft werden. Gegen die patriarchale Struktur, die die Gewalt aktiv ausübt, kann das Gesetz nichts tun: Stattdessen vergrössert es die Benachteiligung der Frauen. 

Grundsätzlich wirft die Argumentation der «öffentlichen Sicherheit» immer die Frage auf, wer von wem eigentlich geschützt werden soll. Statt wirklich auf die Bedürfnisse von unterdrückten Frauen einzugehen, definiert dieses Gesetz Kleidungsstücke und den damit verbundenen Islam als Gefahr. Gleichzeitig definiert das Gesetz auch, dass muslimische Menschen nicht schützenswert sind.  

Nicht zuletzt zeigt sich in den Kantonen, die dieses Gesetz bereits umgesetzt haben, dass dieses Verbot nichts anderes als Symbolpolitik ist. Die Behörden haben kaum in der Schweiz lebenden Personen bestraft, sondern vor allem Tourist:innen. Dies zeigt noch einmal auf, wie das Gesetz nicht die Funktion von Schutz der Öffentlichkeit erfüllt.

Das Gesetz befeuert antimuslimischen Rassismus. Eine geliebte Argumentation von Befürworter:innen war ausserdem die angebliche «Befreiung der muslimischen Frauen». Dieses Argument trieft nur von Frechheit, Bevormundung und Ignoranz. Nikabtragende Frauen in der Schweiz wurden nicht danach gefragt, ob sie überhaupt befreit werden müssen oder wollen. Stattdessen hält das Egerkinger Komitee, welches die Initiative lanciert hatte, an ihrem eurozentristischen Blick auf Emanzipation fest und verwehrt den tatsächlich betroffenen Menschen jede demokratische Teilhabe. Wieder einmal mehr erlauben sich weisse Männer, die Deutungshoheit darüber zu haben, wer unterdrückt ist, und wer nicht. Das zutiefst rassistische Bild von Gut und Böse ist somit reproduziert (Christentum gut, Islam böse), und die hässliche Tradition kolonialer Weltordnung erfolgreich gesichert. So verwenden beispielsweise die USA genau dieses Schlagwort der Befreiung muslimischer Frauen wiederholt, um ihr neokoloniales Interesse in Ländern wie Afghanistan zu legitimieren.

Die Weltordnung meint aber nicht nur die militärische, staatliche Ordnung von Macht. Das Gesetz macht die rassistische Einteilung von Menschen aufgrund äusserer Merkmale in «unterdrückt», «hilfsbedürftig», «weniger kompetent» wieder salonfähig. 

Diese Vorurteile betreffen im Endeffekt nicht nur Frauen, die einen Nikab tragen, sondern alle Muslim:innen. Dies zeigt sich besonders darin, dass nach der Abstimmungsannahme Stimmen laut wurden, die ein allgemeines Kopftuchverbot an Schulen forderte. Es geht also mit diesem Gesetz nicht nur um die Gesichtsverhüllung, sondern um den ersten Schritt in Richtung weiterer Hetze gegen den Islam.

Islamfeindliche Argumente sind auch sexistisch. 

In den islamfeindlichen Argumenten findet sich eng verwoben der übliche Sexismus. 

Wieder einmal mehr wird darüber gesprochen, wie sich Frauen kleiden dürfen und wie nicht. Ausserdem wird mit der Verteufelung der unterdrückten muslimischen Frauen die Lebensrealität von Frauen in der Schweiz idealisiert. Wenn muslimische Frauen zwingend Opfer sind, dann sind weisse Frauen zwingend frei.

Diese Darstellung verschleiert die tatsächlichen Herausforderungen vieler Frauen in der Schweiz. Lohnungleichheit, häusliche Gewalt und Femizide sind weiterhin eine reale Bedrohung, für alle Frauen. Koloniale Traditionen wiederholen sich auch hier wieder: Medien benutzten früher schon diese Bilder, um europäischen Frauen das Gefühl zu geben, besser gestellt zu sein als Frauen in kolonisierten Ländern. Dieses Gefühl verschleierte die sexistische, soziale Ungerechtigkeit, die auch europäische Frauen erfuhren. Statt sich mit dem Kampf von Frauen of Colour zu solidarisieren, liessen sie sich von ihnen spalten, um an ihren eigenen Privilegien festhalten zu können. 

Genau das lassen weisse Frauen auch heute wieder passieren, wenn sie muslimische Frauen als unterdrückt charakterisieren. Und wir lassen es passieren, wenn wir solche rassistische, sexistische Hetze zulassen. Denn Kleider sind nie eine Bedrohung, es sind die Ideologien und Strukturen, die Gewalt und Diskriminierung legitimieren. 

https://antira.org/2022/10/18/olaf-bericht-geleakt-praeventivhaft-gefaehrdend-alarmphone-ausdauernd/#Bis_zu_1000_Franken_Busse_fuer_Burkatragende_und_Vermummte
https://antira.org/2021/03/15/haftstrafen-fuer-moria-6-telefonanrufe-fuer-das-baz-basel-schweizer-waffen-fuer-die-ganze-welt/
https://antira.org/page/2/?s=Verh%C3%BCllungsverbot
https://www.woz.ch/2107/verhuellungsverbot/um-gottes-willen-nein

Lesens -/Hörens -/Sehenswert

Analyse zur Dänischen Migrationspolitik
https://www.akweb.de/politik/labore-der-ausgrenzung-daenemarks-anti-migrationspolitik-dient-deutschen-politikern-als-vorbild/

Petra Molnar berichtet in der taz über neue Technologien zur Grenzüberwachung und wie wir damit Menschenrechte untergraben.
​​​​​​​https://taz.de/Juristin-ueber-KI-und-Migration/!6049209/

Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung, Entrechtung, Widerstände.
https://www.grundrechtekomitee.de/fileadmin/user_upload/Rose_Schiessl_Abschiebungen_in_NRW_Ausgrenzung_Entrechtung_Widerstaende.pdf

Koloniale Schweiz: Stärken und Schwächen der Ausstellung im Landesmuseum
https://sozialismus.ch/kultur-sport/2024/kolonial-schweiz-ausstellung-landesmuseum-kolonialismus-kapitalismus/

Wie kommen wir in die Initiative? Gegen jeden Krieg – das patriarchale Kommando entwaffnen
https://www.graswurzel.net/gwr/2024/10/wie-kommen-wir-in-die-initiative/