Wochenschau vom

AfD an der Macht, Demo für Nzoy, Ausschaffungen nach Afghanistan

Was ist neu?

Tote in der Drina

«You pay 50 euro to die» In der Nacht vom 21. auf den 22. August versuchten 48 Personen mit einem Boot die Drina, ein Grenzfluss wischen Serbien und Bosnien und Herzegowina, zu überqueren. Der Fluss ist bekannt für seine starke, unberechenbare Strömung und zog in dieser Nacht mindestens 12 Personen in den Tod.

Unmarkierte Gräber aus Holz in der serbischen Grenzstadt Loznica. Foto von Nihad Suljić.

Menschen aus Syrien, Ägypten, Irak und Marokko wagten auf ihrem Weg in eine lebenswerte Zukunft mit Hilfe von Schleppern den gefährlichen Weg über die Drina. Der erste Teil der Gruppe, bestehend aus mehrheitlich unbegleiteten Minderjährigen, schaffte es, ans andere Ufer zu gelangen. Der zweite Teil der Gruppe mit 28 Personen kenterte kurz nach dem Ablegen. Das Boot wurde überfüllt und kippte. Mindestens 12 Personen ertranken, darunter auch eine Mutter mit ihrem 9 Monate alten Baby namens Lana. Ihre drei weiteren noch minderjährigen Kinder überlebten, doch verloren in dieser Nacht ihre Eltern.

Einige Tage nach dem Unglück treffen wir einen Freund einiger Boots-Insassen in Sarajevo. Auf die Frage, was genau geschah, antwortete er: «you pay 50 euro to die». 50 Euro, so viel kostete die Überfahrt. Einige mussten auch 250 Euro zahlen, ertrunken sind sie dennoch. Er zeigt uns Fotos der Ertrunkenen, Videos der Überlebenden und erzählte, dass ein Bekannter von ihm weder bei den Überlebenden noch bei den Geborgenen aufgetaucht ist. Wenige Tage nach dem Kentern des Boots hat die Polizei die Suche nach weiteren Toten für beendet erklärt.

In Sarajevo treffen wir auch auf zwei Insassen des Bootes, denen mit dem ersten Teil der Gruppe die Überfahrt gelang. Mit ihnen unterwegs ist A., welcher mit dem Boot kenterte und sich glücklicherweise ans Ufer retten konnte. In dieser Nacht musste er zusehen, wie Weggefährten von ihm ertranken. Am Tag nach dieser schrecklichen Nacht wagte er die Überfahrt nochmals und erreichte diesmal das andere Ufer.

Um von Serbien nach Bosnien und Herzegowina zu gelangen, müssen die migrierenden Personen entweder den Weg über das Dinarische Gebirge oder über den Grenzfluss Drina nehmen. Beide dieser Routen bergen ihr eigenes Risiko und führen immer wieder zum Tod von Flüchtenden. Allein in der Drina sind bisher etwa 300 migrierende Personen gestorben, wobei keine offiziellen Zahlen erfasst werden und man nur durch das Auftauchen von unmarkierten Gräbern in Dörfern und Städten entlang des Flusses die erfassten Tode nachvollziehen kann. Lange war der Weg über die Drina kaum genutzt. Nur selten hörte man, dass migrierende Personen die Drina über Eisenbahnbrücken, mit kleinen Gummibooten oder schwimmend überquerten.

Ende letzten Jahres wurde in Serbien eine militärische Aktion durchgeführt, bei welcher im Norden des Landes alle offiziellen Lager geschlossen und informelle Unterkünfte zerstört wurden, in welchen sich migrierende Personen bisher aufhielten. Dadurch wurden die Migrationsbewegungen weiter ins Klandestine gedrängt. Die Menschen nehmen gefährlichere Wege auf sich und müssen öfter ihr Leben in die Hände der Schmuggler legen, um Grenzen zu überqueren. Zwar sind alle bereits bestehenden Routen noch aktiv, doch es gab sichtliche Verschiebungen.

So entscheiden sich nun mehr Menschen für den Weg von Serbien über Bosnien und Herzegowina nach Kroatien, statt wie zuvor von Serbien nach Ungarn. Dass nun ein so grosses Boot mit über 20 Personen den Fluss überquerte, ist auf die aktivere Nutzung der Route und die grössere Präsenz von Schmugglern zurückzuführen. Denn wo immer die Grenzen militarisiert werden und Bewegungsfreiheit verunmöglicht wird, bleibt migrierenden Personen meist nichts anderes, als immer gefährlichere Routen zu nehmen und dabei einen Teil ihrer Autonomie abzugeben, indem sie ihr Leben in die Hände von Schmugglern geben. Statt sich selbstbestimmt frei zu bewegen, zahlen sie viel Geld und geben ihr Leben.

Deutschland: Massive Verschärfungen und Ausschaffungen nach Afghanistan

Auf das Attentat in Solingen antwortet die deutsche Regierung mit einem Rassismuspaket. Zur gleichen Zeit wurden erstmals wieder 28 Personen nach Afghanistan ausgeschafft.

Die deutsche Regierung hat eine Reihe von Massnahmen beschlossen, die u.a. die Rechte von geflüchteten Personen gravierend verletzen sollen:

  • Wenn bspw. laut dem Dublin-Abkommen ein anderer europäischer Staat für asylsuchende Perosnen zuständig wäre und dieser der Rücknahme zugestimmt hat, sollen der betreffenden Person alle Sozialleistungen gestrichen werden, um den Druck auszureisen zu erhöhen.
  • Künftig sollen zudem Ausschaffungen von Personen, die Straftaten mit Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen begangen haben, erleichtert werden. Auch der Ausschluss geflüchteter Personen vom Schutzstatus in Deutschland soll bei Straftaten schneller möglich sein.
  • Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll Wege erarbeiten, um mehr Menschen im Rahmen des Dublin-Verfahrens abzuschieben.
  • Personen, die in ihr Herkunftsland zurückkehren, riskieren den Verlust ihres Schutzstatus in Deutschland – zum Beispiel bei Urlaubsreisen oder Familienbesuchen. SRF bezeichnet diese als Reisen «ohne wichtigen Grund». Geflüchtete aus der Ukraine sind davon jedoch ausgenommen.
  • Und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll künftig die Erlaubnis erhalten, öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit Fotos von Verdächtigen oder gesuchten Personen abzugleichen.

Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland wieder afghanische Staatsangehörige ausgeschafft. 28 Personen sassen im Ausschaffungsflug. Die Ausschaffung fand nur wenige Tage nach dem Attentat in Solingen statt, hatte aber laut den Behörden eine längere Vorlaufzeit.  

Wie ProAsyl in ihrer Stellungnahme schreibt: «Die Toten & Verletzten waren noch nicht geborgen, da setzten bereits die Instrumentalisierungsversuche ein. […] Reflexhafte Forderungen, Hetze und weitere gesellschaftliche Spaltung werden die Probleme nicht lösen.»

Seebrücke Deutschland schreibt in ihrem Statement: «Besonders die Streichung von Sozialleistungen ist ein unfassbar perfider Angriff auf die Menschenrechte der betroffenen Personen. Mit dieser Reaktion bestätigt die Bundesregierung die rassistischen Reaktionen auf den furchtbaren islamistischen Terroranschlag.»

Was geht ab beim Staat?

Abschiebecamp Lipa: Mit Korruption zum Ziel

Dass aus dem bisher halb-offenen Camp Lipa in Bosnien ein geschlossener Knast für Pushbacks und Abschiebungen werden soll, war bekannt. Nun zeigen Recherchen des WAW-Kollektivs, dass sogar Korruption in Kauf genommen wird, um die Pläne umzusetzen. Auch die offizielle Schweiz hat ihre Finger im Spiel.

Das Vorhaben wird von der Schweiz und Österreich politisch und finanziell gepusht und vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) und Frontex begleitet. Bisher gab es bereits viel Kritik: Für die geschlossenen Zellen gibt es keine Baugenehmigung und auch keine rechtliche Zusicherung. Aus dem Camp sollen zudem Menschen in Regionen abgeschoben werden, in die nicht einmal Frontex abschieben darf. Nun fand das Recherche-Kollektiv WAWauch Hinweise dafür, dass ICMPD korrupt ist. Das SEM bestreitet die Vorwürfe nicht. Trotzdem stoppt die Schweiz die Zahlungen nicht. 1,2 Millionen Euro sollen für das Projekt nach Bosnien und Herzegowina fliessen.

Im Artikel von FragdenStaat heisst es: „Im November 2021 unterzeichnen die Schweiz und das ICMPD den Projektvertrag. Ein Steuerungskomitee aus Vertreter*innen von ICMPD, dem Schweizer SEM und dem bosnischen Sicherheitsministerium entsteht. Gleich zu Beginn schlägt das bosnische Sicherheitsministerium vor, einen externen Experten zu beauftragen, der die technische Ausschreibung für den IT-Auftrag ausarbeiten soll. (…) Nach einem Monat hat der Experte die Ausschreibung fertiggestellt, sie wird veröffentlicht und der Auftrag für rund 400.000 Euro vergeben. An die IT-Firma Page d.o.o. Was damals untergeht: der Experte ist Mitarbeiter von Page. (…) Der Gründer von Page d.o.o. ist laut bosnischen Medien ein ehemaliger Beamter im Sicherheitsministerium und ein enger Vertrauter des Vize-Sicherheitsministers Samir Rizvo. Rizvo sitzt als Vertreter des Sicherheitsministeriums im Steuerungskomitee des Projekts und ist massgeblich an den Planungen beteiligt. (…) Die Zusammenarbeit mit Page d.o.o. scheint nicht die einzige dubiose Verstrickung von ICMPD in Bosnien und Herzegowina zu sein, wie unsere Recherchen zeigen. Im April 2022 wird der Sohn von Vize-Sicherheitsminister Samir Rizvo, Bekir Rizvo, als externer Berater bei ICMPD angestellt.“

Was ist aufgefallen?

Deutschland: Historische Wahlerfolge der AfD

In Thüringen und Sachsen stuft der Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland (AfD) als «gesichert rechtsextremistisch» ein. Trotzdem – oder deshalb? – wird die AfD in Thüringen mit 30% neu die stärkste Kraft im Parlament. In Sachsen schneidet nur die CDU mit 31,9% knapp besser ab als die AfD mit 30,6%. Die AfD ist angekommen, um zu bleiben.

In Thüringen führt Björn Höcke die AfD. Dafür, dass er in seinen Reden die Nazi-Parole „Alles für Deutschland“ verwendet, wurde er verurteilt. Trotzdem heisst sein Wahlprogramm: „Alles für Thüringen“. Wir haben es uns angeschaut. Abgesehen vom Titel ähnelt das Programm einem SVP-Programm. Höcke spricht von einer „Liste des Schreckens“ und zählt auf: „Illegale Masseneinwanderung, gesellschaftliche Verrohung, drastisch ansteigende Gewaltkriminalität, Perspektivlosigkeit der Jugend, menschenfeindlicher Gender-Irrsinn, Kultur- und Bildungsverfall, Verschandelung der Landschaft durch Windkraftanlagen und Solarfelder, Explosion der Energie- und Lebenserhaltungskosten, errodierende Sozialsysteme, Zerstörung unserer Wirtschaft durch die Klimapolitik aller Altparteien, Aussetzung der Grundrechte während des Corona-Regimes, Sprech- und Denkverbote, Unterdrückung der Opposition, würdeloses Vasallentum und fahrlässige Kriegstreiberei“. Die Liste ist schrecklich. Aus der Schweiz aus betrachtet, stellt sich die Frage nach dem Unterschied zur SVP, die vom Nachrichtendienst nicht als Verdachtsfall geführt wird.

Die Frage bleibt übrigens auch, wenn das Programm der AfD aus Thüringen mit SVP-Forderungen verglichen werden. Gewisse Forderungen wurden in der Schweiz ausserdem bereits umgesetzt. Die AfD ist gegen ein Stimm- und Wahlrecht für Nicht-Deutsche und gegen obligatorische Abgaben für Mediensubventionen. Sie fordert mehr Kompetenzen, Personal und Mittel für Polizei und Gefängnisse. Die Schule müsse selektiver, separativer, leistungs- und arbeitsmarktorientierter werden. Gendersprache, Islamunterricht sowie Sexualkundeinhalt vor der Oberstufe gehörten verboten. Genderforschung solle es an Unis und Hochschulen nicht mehr geben, hingegen brauche es höhere Studiengebühren für nicht-europäische Studierende. Für eine „patriotische und soziale“ Wirtschaft fordert die AfD einen Inländer*innenvorrang, den es in der Schweiz schon gibt. Auch migrationspolitisch sagt die AfD Ähnliches wie die SVP. Es brauche durchgängig gesicherte Landesgrenzen und mehr Abschiebungen. Dies durch die Schaffung von Administrativhaftanstalten, Abschiebecamps und schnelleren Abschiebungen bei Straffälligkeit. Zudem soll der Lebensstandard für Geflüchtete im Verfahren gesenkt werden, indem sie in grossen Camps isoliert werden und Sach- statt Geldleistungen erhalten. Auch der Familiennachzug müsse eingeschränkt werden. Die meisten dieser Verschärfungen gehören für geflüchtete Personen in der Schweiz bereits länger zum Alltag.

Die AfD ausschliesslich als Nazi-Partei oder faschistisch zu verteufeln, ist okay, aber unvollständig. Zwar fanden im Innern der Partei Richtungskämpfe statt, bei denen sich jedes Mal der national-völkische Flügel gegen den national-liberalen durchsetzte. Doch die AfD will nicht ausschließlich Remigration oder dogmatisch nur zurück ins Dritte Reich. Sie sucht auch Macht und Einfluss im bürgerlich-kapitalistischen Hier und Jetzt. Das macht sie anfälliger für eine Integration ins bestehende System aber auch gefährlicher.

2013 gründete sich die AfD als Reaktion auf die Eurokrise. Mit EU-Kritik reagierte die AfD auf die steigenden Preise. Ein Jahr später erreichte sie fast 5% bei den EU-Parlamentswahlen. 2015 reagierte sie mit Protest und Rassismus auf den Sommer der Migration. Mit dem Gerede davon, dass sich Deutsche in Deutschland fremd fühlen, kam sie bei vielen Alltagsrassist*innen an. Während den vielen Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) wurde dann sichtbar, dass die AfD und nicht mehr die NPD das politische Sprachrohr der Rassist*innen sein wird. Weitere Momente, die die AfD zu nutzen wusste, waren die Pandemie und die Angriffe Russlands, zuerst auf die Krim und nun auf die gesamte Ukraine. Verschwörer*innen, Amerikafeind*innen und Putinfans schwenkten während diesen Krisen hinüber zur AfD.

Heute ist die AfD im Westen Deutschlands eine starke Oppositionspartei. Im Osten nun stärkste politische Kraft. Auf EU-Ebene stehen bisher nicht alle ähnlichen Parteien mit der AfD Seite an Seite. Der französische RN hat mit der AfD gebrochen. Obwohl es in Deutschland und europaweit brennt, bleibt es in unseren Augen noch offen, wo der Rechtsrutsch hinführt. Es kommt weiterhin auch auf uns an. Parteien wie die AfD können wir am besten aus ihrer Praxis heraus verstehen und bekämpfen. Statt sie ausschliesslich zu verteufeln, sollten wir auch versuchen zu verstehen, was sie für die Menschen interessant macht.

Perspektiven wie Bewegungs- und Bleibefreiheit sowie globale und klimatische Gerechtigkeit bieten überzeugendere Antworten auf die Probleme der Zeit. Sie sind sicherer, nachhaltiger und gerechter. Lasst uns die AfD und die SVP angreifen, aber auch mit Menschen reden, um sie mit politischen Offerten, die uns überzeugen, von rechts wegzubringen. Lasst uns organisiert statt isoliert handeln.

Wo gab es Widerstand?

Justice4Nzoy-Demos in Lausanne und Zürich

Am Feitagabend, dem 30. August 2024, zum dritten Todestag von Roger Nzoy Wilhelm sind in Zürich mehrere hundert Menschen zusammengekommen, um gegen Rassismus und Racial Profiling zu demonstrieren. Die Demo begann um 19 Uhr. Um diese Zeit wäre Nzoy mit dem Zug aus Genf in Zürich angekommen, wäre er vor drei Jahren nicht von Polizisten in Morges getötet worden.

Dass der Schweizer Staat seither versucht die Beamten zu schützen ist keine Überraschung. Damit wird einmal mehr deutlich, in was für einem rassistischen System wir leben und auf wessen Seite die Justiz steht.

Im Communiqué des Bundnisses Justice4Nzoy heisst es: „Wir haben uns lautstark mit den Angehörigen von Nzoy und anderen Opfern von Polizeigewalt solidarisiert und den weit verbreiteten staatlichen Rassismus angeprangert. Neben Aktionen in Zürich und in weiteren Schweizer Städten, wie Lausanne, wurde die Demonstration von Reden diverser Kollektive und Organisationen begleitet. Die Erfahrungen aus anderen Fällen rassistischer Polizeigewalt machen deutlich, dass es sich eben nicht um Einzelfälle handelt. Und gerade in der schweizweiten und internationalen Vernetzung, die heute erneut deutlich wurde, wird unsere Stärke sichtbar.

Unserer Wut und unseren Perspektiven haben wir aus gutem Grund auch im Langstrassenquartier Ausdruck verliehen, wo rassistische Polizeigewalt allgegenwärtig ist. Wir haben gezeigt, dass wir zusammenstehen und uns gegen Ausbeutung und Unterdrückung wehren.“

https://justice4nzoy.org/communique-zur-justice4nzoy-demo-am-30-08-2024

Captain Support Network – Rückblick auf den Info-Event

In Bern und in Zürich fanden am 16. und 17. August Informationsveranstaltungen des Captain Support Networks statt. Auf dem Podium sprachen Menschen aus verschiedenen Regionen des Netzwerks über ihre Arbeit. 

Das Captain Support Network ist ein transnationales Netzwerk der Solidarität. Es solidarisiert mit denjenigen, die kriminalisiert werden für ihren Kampf um Bewegungsfreiheit. Systematisch werden Migrant*innen des Schmuggels beschuldigt, verurteilt und in Gefängnisse gesperrt. Meistens haben sie keinen Zugang zu angemessener juristischer oder anderen Formen der Unterstützung. 

Wenn ein Boot oder ein Auto mit geflüchteten Personen auf griechischem Territorium ankommt, verhaften die lokalen Grenzschutzbeamten oft mindestens eine Person. Ein griechisches Gesetz bildet die Grundlage für die Verhaftungen. Die Personen haben möglicherweise das Ruder gehalten, um das Boot zu steuern, oder mit der Küstenwache kommuniziert, um Hilfe zu rufen. Manchmal ist es auch einfach die Person, welche Englisch kann. Die Grenzbeamten werfen den Personen Schmuggel vor und verhaften sie unter diesem Vorwand. 

Ein Beispiel ist der Fall von Homayoun Sabetara. Er ist aktuell in Griechenland inhaftiert und wurde zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wird Schmuggel vorgeworfen, weil er ein Auto mit sieben weiteren flüchtenden Personen über die türkisch-griechische Grenze gefahren hat. Dabei scheint für den griechischen Staat keine Rolle zu spielen, dass Homayoun Sabetara selber auf der Flucht war. Er wurde vom tatsächlichen Schmuggler gezwungen, das Auto zu fahren. Solche Situationen sind keine Seltenheit.  

Gegen diese eskalierende Kriminalisierung organisieren sich migrantische Communities und Aktivist*innen. Das Captain Support Network sammelt Ressourcen, um die Betroffenen juristisch und mit der Weitergabe von wichtigen Informationen unterstützen zu können. „Free Homayoun“, „Paros 3“ und „El Hiblu 3“ sind Kampagnen, die sich für die Befreiung von inhaftierten geflüchteten Menschen einsetzen. Besonders erfreulich ist der Erfolg der Kampagne „Pylos 9“! Dank der Kampagne und den zahlreichen Spenden wurden die neun geflüchteten Personen freigesprochen.

Was schreiben andere?

Hungerstreik: Erklärung aus dem Bundesasyllager Flumenthal

Diese Erklärung ist an die europäische Presse, die Menschenrechts-organisationen der Türkei sowie an alle relevanten Menschenrechts-organisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen gerichtet. Mein Ziel ist es, auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die ich erlebt habe, und auf die Bedrohungen, denen ich ausgesetzt bin, aufmerksam zu machen und dringend Unterstützung zu erbitten.

Die Situation in der Türkei: Die antidemokratischen Praktiken und Morddrohungen, denen ich in der Türkei ausgesetzt war, stellen eine ernsthafte Bedrohung für meine persönliche Sicherheit dar. Aus diesem Grund war ich gezwungen, mein Land zu verlassen. Die gegenwärtigen politischen Repressionen und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei machen es unmöglich, grundlegende Rechte und Freiheiten zu schützen.

Meine Erfahrung in der Slowakei: Während meines Aufenthalts als Flüchtling in der Slowakei im August 2023 war ich unmenschlichen Lebensbedingungen ausgesetzt und wurde während meiner Inhaftierung erniedrigend behandelt. Diese Bedingungen missachten die Menschenwürde und stehen in offenem Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsnormen. Um diesen schrecklichen Bedingungen in der Slowakei zu entkommen, war ich gezwungen, in die Schweiz zu fliehen.

Die Entscheidung der Schweiz im Rahmen des Dublin-Abkommens: Am 21. Mai 2024 habe ich in der Schweiz Asyl beantragt. Aufgrund des Dublin-Abkommens hat die Schweiz meinen Asylantrag jedoch abgelehnt und beschlossen, mich wieder in die Slowakei abzuschieben. Ich befürchte, dass ich in der Slowakei erneut unmenschlichen und antidemokratischen Praktiken ausgesetzt werde. Ich lehne diese Entscheidung ab und möchte hiermit bekannt geben, dass ich ab dem 26.08.2024 einen unbefristeten Hungerstreik beginnen werde, um gegen die Entscheidung der Schweizer Behörden zu protestieren.

Internationale Menschenrechte und rechtliche Grundlagen: Die Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen, die Europäische Menschenrechtskonvention und grundlegende Rechte wie das Recht auf menschenwürdiges Leben sowie persönliche Rechte und Freiheiten machen ein Eingreifen in diese Angelegenheit notwendig. Die Rückführung der Schweiz in die Slowakei stellt eine Verletzung dieser Rechte dar und muss dringend überprüft werden.

Schlussfolgerung und Forderung: Ich möchte betonen, dass ich die Entscheidung der Schweiz für völkerrechtswidrig und menschenrechtswidrig halte und dass mein Leben gefährdet ist, falls ich in die Slowakei zurückgeschickt werde. In diesem Zusammenhang bitte ich um dringende Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der internationalen Gemeinschaft.

https://barrikade.info/article/6596